Als Karl-Heinz Rummenigge beim Münchner „Leichenschmaus“ zu einer Wutrede im Stile von Franz Beckenbauer ausholte, gefror Jürgen Klinsmann endgültig das Lächeln.Bilder, Pressestimmen und Sprüche von Bayerns Nacht der Schande.

Barcelona. Was der "geschockte" Vorstandsvorsitzende von Bayern München beim obligatorischen Champions-League-Bankett dem Trainer, aber auch den Versagern von Camp Nou nach dem historischen 0:4 (0:4)-Debakel beim FC Barcelona mit auf den Weg gab, war an Deutlichkeit nicht mehr zu überbieten.

Die Zukunft von Klinsmann beim deutschen Fußball-Meister gerät vor dem Bundesligaspiel am Sonnabend (15.30 Uhr/live bei Premiere) gegen Eintracht Frankfurt nun mehr denn je ins Wanken. Klare Bekenntnisse zum 44-Jährigen, dessen Vertrag bis 2010 läuft, gab es nach der "Riesenblamage" nicht mehr. "Ich denke schon", antwortete Rummenigge lapidar auf die Frage, ob Klinsmann gegen die Hessen noch auf der Bank sitzen werde.

Schon vor wenigen Wochen war über eine interne Notlösung bis zum Saisonende mit Vorstands-Berater Paul Breitner und Chef-Analytiker Michael Henke, im vergangenen Jahr noch Assistent von Ottmar Hitzfeld, spekuliert worden. Auch der Niederländer Frank Rijkaard oder der Ex-Stuttgarter Armin Veh wären auf dem Markt. Auch der Name von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer soll bereits gefallen sein.

Zwar erklärte Präsident Beckenbauer, dass Klinsmann der Aufgabe weiterhin gewachsen sei. Und auch Rummenigge machte klar, "dass wir in dieser schweren Stunde rational bleiben müssen, die Dinge nicht überdrehen und keine unsinnigen Entscheidungen treffen dürfen".

Gleichzeitig erklärte der Bayern-Boss den rund 400 mitgereisten Edel-Fans, "dass wir ein stolzer Verein sind. Aber dieser Stolz wurde zum Teil mit Füßen getreten. Ich muss mich bei allen entschuldigen. Das war eine indiskutable Leistung und eine bittere Lektion, die sehr weh getan hat."

Entsprechend fiel es allen Verantwortlichen beim deutschen Rekordmeister nach der "Katastrophe" (Beckenbauer) vor der Partie gegen Frankfurt und dem Rückspiel am kommenden Dienstag gegen Barca schwer, den Blick nach vorne zu richten. Rummenigge und Manager Uli Hoeneß wollten die Lehrstunde von Messi, Henry, Eto'o und Co. erst einmal sacken lassen.

Er wolle jetzt "keine Grundsatzdiskussion anfangen", sagte Hoeneß nach der höchsten Pleite der Bayern in der Champions League und wirkte dabei völlig desillusioniert und fassungslos. Man wolle jetzt "in aller Ruhe analysieren".

Doch Ruhe wird bei den Bayern erst einmal nicht einkehren. Nach dem Aus im DFB-Pokal hat Klinsmann auch im zweiten Wettbewerb die hoch gesteckten Ziele nicht erreicht. An ein Wunder in der Königsklasse glaubt bei den Münchnern angesichts der Überlegenheit von Barcelona längst keiner mehr. Nun ist der Druck vor den letzten acht Saisonspielen in der Liga enorm.

"Wir müssen jetzt noch retten, was zu retten ist", sagte Hoeneß: "Das wird sehr schwer." Und wenn der Rekordmeister auch noch den Liga-Titel verpassen sollte? Dann wäre es eine "bedauerliche Saison", betonte Beckenbauer.

Klinsmann selbst war zwar um Kampfgeist bemüht, doch vor dem Frankfurt-Spiel wirkte er angeschlagen wie selten zuvor in seiner Amtszeit seit Juli 2008. Zumal seine Maßnahmen nicht griffen: Seine Wut-Rede nach dem 1:5 in Wolfsburg blieb genauso ohne Wirkung wie sein Sensations-Wechsel zwischen Jörg Butt und Michael Rensing im Tor. Zwar äußerte er vor dem Spiel in Barcelona, dass er noch eine "gewaltige Energie" in sich tragen würde - doch auf die Mannschaft scheint er diese nicht mehr übertragen zu können.

Der 44-Jährige ist trotz des leblosen Auftritts seiner Spieler vor 93.219 Zuschauern im Camp Nou dennoch sicher, "dass ich die Mannschaft sehr wohl noch erreiche". Es sei normal, "dass ein Trainer nach solchen Niederlagen Kritik einsteckt, aber ich bin ein Kämpfer, ich sage mir: Helm auf und durch." Es sei aber nicht einfach, "das zu verarbeiten".

Nach Ausflüchten für das Debakel, das die überragenden Lionel Messi (9./38.) und Thierry Henry (43.) sowie Samuel Eto'o (13.) besiegelten, suchte Klinsmann erst gar nicht. "Wir haben nicht stattgefunden. Barca hat uns deutlich die Grenzen aufgezeigt", analysierte er. Es hätten Mut und Aggressivität gefehlt. Man habe sich wie das Kaninchen vor der Schlange verhalten, bemängelte Hoeneß.

Nun gelte es, "dass wir uns voll auf die Bundesliga konzentrieren, damit wir die drei Punkte noch einholen, um deutscher Meister zu werden", sagte Klinsmann. Den Rest wolle man auf nächstes Jahr in der Champions League verlegen.

In dieser Spielzeit war die Königsklasse erneut eine Nummer zu groß für die Bayern. "Barca hat uns deutlich zu erkennen gegeben, dass noch viel, viel Arbeit auf uns wartet, um unter die besten Vier in Europa vorzurücken", meinte Klinsmann. Vor allem sei deutlich geworden, "dass wir nicht imstande sind, Ausfälle wie die von Lucio, Philipp Lahm, Miroslav Klose oder Daniel van Buyten zu kompensieren."