Zwei Jahre nach der Schlammschlacht spricht der Vorsitzende über seine Zukunft und mögliche Nachfolger.

Abendblatt:

Herr Burmester, zum Einstieg eine Geschichtsfrage: Was geschah am 19. März 2007?

Michael Burmester:

Ich passe.



Abendblatt:

Präsidium und Aufsichtsrat des FC St. Pauli saßen sich nach wochenlanger Schlammschlacht zerstritten vor dem Landgericht gegenüber.

Burmester:

Das war eine sehr dunkle Phase für den Klub und alle Beteiligten. Aber ich schaue nur nach vorn. Die Vorgänge sind noch im Unterbewusstsein. Doch einerseits hat sich die personelle Struktur im Präsidium verändert, und zweitens hat jeder seine Lehren daraus gezogen. So etwas darf nie wieder passieren.



Abendblatt:

Das Verhältnis wirkt heute konstruktiv. Ist es so gut wie nie zuvor in Ihrer achtjährigen Amtszeit?

Burmester:

Jein. Es hat sich deutlich verbessert, der Vertrauensvorschuss, den wir gegeben haben, wurde im Großen und Ganzen gerechtfertigt. Allerdings herrscht noch immer Luft nach oben.



Abendblatt:

Was läuft besser?

Burmester:

Damals waren wir in viele Entscheidungen nicht eingebunden, Fragen blieben unbeantwortet. Wir konnten unseren Hauptaufgaben, Kontrolle und Beratung, nicht nachkommen.



Abendblatt:

Und heute?

Burmester:

Wir erhalten die Protokolle von Präsidiumssitzungen und haben mit Vizepräsident Stefan Orth einen Ansprechpartner.



Abendblatt:

Alles Zugeständnisse des Präsidiums. Hatte sich der Aufsichtsrat nichts vorzuwerfen?

Burmester:

Es wäre vermessen zu sagen, dass wir damals alles richtig gemacht haben. Aber wir können nur Dinge genehmigen, über die wir auch informiert wurden.



Abendblatt:

Gab es nie Momente, in denen Sie hinschmeißen wollten?

Burmester:

Oh doch. Wir haben auf dem allerletzten Loch gepfiffen, es gab Schuldenberge, Retter-Kampagne, Abstiege. Dann die Schlammschlacht...



Abendblatt:

...in der Sie auch Ihren Job verloren und sich von Ihrer Lebensgefährtin trennten.

Burmester:

Es lief damals vieles schief. Aber das sind keine Themen für die Öffentlichkeit.



Abendblatt:

Der Verein hat sich erholt. Verspüren Sie Genugtuung?

Burmester:

Eher Erleichterung. In dem Zustand der letzten Jahre konnte ich dieses Amt ja auch nicht abgeben und einfach gehen.



Abendblatt:

Im November 2010 wird ein neuer Aufsichtsrat gewählt. Kandidieren Sie erneut?

Burmester:

Das ist offen. Der Verein steht auf soliden Füßen, wir feiern 2010 unser 100-jähriges Jubiläum. Eventuell ein guter Zeitpunkt, um abzutreten.



Abendblatt:

Welche Visionen haben Sie?

Burmester:

Vieles haben wir schon umgesetzt. Sportlich sind alle Rahmenbedingungen geschaffen worden, die ein Verein schaffen kann. Nun kommen die Fertigstellung des Stadions und der Umbau des Trainingszentrums.



Abendblatt:

Präsident Corny Littmann formulierte das große Ziel, in Hamburg die Nummer eins zu werden. Teilen Sie die Vorgabe?

Burmester:

Für die nächsten zehn Jahre ist das unwahrscheinlich. Aber Träumen ist erlaubt.



Abendblatt:

Müsste dazu nicht auch der Aufsichtsrat anders arbeiten? Beim HSV verfügen viele Kontrolleure über gute Kontakte zur Wirtschaft.

Burmester:

Hauptaufgabe ist die Kontrolle. Außerdem muss doch niemand ein Amt haben, um seine Kontakte zu nutzen.



Abendblatt:

Demnach sehen Sie keinen Bedarf?

Burmester:

Das ist keine Frage von richtig oder falsch. Sicherlich würden Leute mit guten Kontakten dem Verein gut zu Gesicht stehen. Aber dazu muss sich auch mal jemand zur Wahl stellen. Ich würde es mir wünschen, eine Wirtschaftsgröße im Aufsichtsrat als Nachfolger zu begrüßen. Aber ich sehe auch eine Gefahr.



Abendblatt:

Welche?

Burmester:

Wenn er genau so ein Alpha-Tier wäre wie unser Präsident, könnte das verstärktes Konfliktpotenzial bedeuten.



Abendblatt:

Würden Sie rückblickend etwas anders machen?

Burmester:

Es war sehr interessant und auch lehrreich. Aber Grundlegendes würde ich nicht ändern. Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.



Kaufmann Michael Burmester (45) ist seit 2001 im Aufsichtsrat, dem er seit 2003 vorsitzt.