Nach schwachem Beginn steigerte sich der HSV gegen einen dezimierten Gegner, vergab aber zu viele Chancen. Schwere Ausgangslage fürs Rückspiel. Bilder zum Spiel.

Hamburg. Wie soll man echte Europacup-Atmosphäre beschreiben? Vielleicht so: Die Luft scheint schon vor dem Anpfiff voller Vorfreude zu vibrieren. Die Aufstellungen gehen in ohrenbetäubenden Pfiffen unter, selbst Teile des VIP-Bereiches werden von Fans in Stehplätze verwandelt. Es wird gesungen, gehüpft, leidenschaftlich angefeuert, bengalische Feuer lassen dicken Rauch über den Platz ziehen. Und auf dem Platz hagelt es gelbe und rote Karten, es kommt zu Rudelbildungen, weil manch ein Spieler bei dieser eindrucksvollen Atmosphäre überdreht.

Das 1:1-Unentschieden im Achtelfinal-Hinspiel zwischen dem Hamburger SV und Galatasaray Istanbul war tatsächlich ein echter Europapokal-Kampf, der aber auch seinen stillen Moment hatte, als beide Mannschaften am Mittelkreis den Opfern des Amoklaufs in Winnenden und Wendlingen gedachten.

15 000 Türken und 35 000 HSV-Fans sorgten auch mit diesem würdevollen Gedenken für einen stimmungsvollen Rahmen, den eben nur solche Spiele bieten. "Kämpfen, Siegen, Weiterkommen" hatten die HSV-Anhänger mit einer riesigen Choreographie ihre Spieler aufgefordert, schon in der Nordbank-Arena alles klar zu machen. Doch die Entscheidung wurde vertagt - "und unsere Ausgangsposition hat sich nicht verbessert", gab Trainer Martin Jol zu.

Nach dem Remis benötigen die Hamburger im Rückspiel am kommenden Donnerstag ein Unentschieden mit mindestens zwei Toren oder einen Sieg, um ins Viertelfinale einzuziehen.

Dass Jols Elf zittern muss, lag vor allem an der schwachen ersten Halbzeit. In der Klubrangliste der Uefa ist der HSV inzwischen auf einen respektablen 26. Platz geklettert, doch wie weit die europäische Beletage für die international noch unerfahrene HSV-Mannschaft noch entfernt ist, zeigte sich besonders in den ersten 45 Minuten.

Die schwächeren Auftritte der jüngsten Zeit hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, die umformierte, junge Abwehr mit Benjamin, Boateng, Mathijsen und Aogo präsentierte sich anfällig, besonders Aogo und Benjamin waren der Respekt und die Anspannung anzumerken.

Dieses gehemmt wirkende Auftreten zog sich in der ersten Halbzeit durch die ganze Mannschaft. Kaum einmal konnte der HSV die durch Verletzungen und den Verkauf Meiras dezimierte Defensive der Türken unter Druck setzen. Erschwerend kam hinzu, dass sich Alex Silva in der Zentrale eine unglaubliche Fehlerquote leistete. Dem ideenlosen Aufbauspiel konnten die Türken disziplinierte Abwehrarbeit und eine reifere Spielanlage entgegen setzen. Sie schienen auf ihre Chance zu lauern und legten immer wieder die defensiven Schwächen auf der rechten Hamburger Seite offen.

So kam die 1:0-Führung der Gäste nach einem Konter alles andere als überraschend, als Galatasaray die Unordnung in der HSV-Defensive nutzen konnte. Die einzige hundertprozentige Chance vor dem Wechsel vergab Petric, der freistehend Torwart de Sanctis anschoss (35.).

Das Selbstvertrauen der HSV-Profis hatte sichtbar gelitten, es benötigte dringend ein Erfolgserlebnis. So kam der frühe Ausgleich durch Marcell Jansen vier Minuten nach Wiederanpfiff goldrichtig. Das Tor schien wie ein Brustlöser zu wirken, endlich bestimmten die Hamburger die Partie, sie gingen aggressiver in die Zweikämpfe und kamen häufiger in die gefährliche Zone Galatasarays. Nachdem Schiedsrichter Viktor Kassai Innenverteidiger Emre Asik nach einer Notbremse gegen Petric Rot gezeigt hatte (54.), ging es endgültig nur noch in eine Richtung, doch das so wichtige 2:1 wollte trotz bester Möglichkeiten nicht fallen. "Wir gehen wie nach einer Niederlage nach Hause", haderte Petric mit der mangelnden Chancenverwertung, die, gepaart mit dem Zaudern in der ersten Hälfte, im Ali-Sami-Yen-Stadion das Aus zur Folge haben könnte. "Bordeaux hat auch drei Tore in Istanbul geschossen, es ist also alles möglich, so lange wir so spielen wie in der zweiten Halbzeit", hofft Jansen. Bordeaux ist allerdings am Ende nach vier Gegentoren ausgeschieden...


Hamburg: Rost - Benjamin, Boateng, Mathijsen, Aogo (71. Olic) - Trochowski, Silva (84. Pitroipa), Jarolim, Jansen - Petric, Guerrero.

Istanbul: De Sanctis - Sabri, Emre Asik, Hakan Balta, Volkan - Özbek, Ayhan - Kewell, Lincoln (59. Güven), Arda (83. Sas) - Nonda (74. Karan).

Tore: 0:1 Ayhan (32.), 1:1 Jansen (49.). Schiedsrichter: Kassai (Ungarn.). Zuschauer: 50 500. Gelb: Volkan Yaman, Paolo Guerrero HSV, Baris Oezbek Guerrero, Aogo, Boateng - Özbek, Arda, Volkan. Rot: Emre Asik (54.).

Wählen Sie den Spieler des Tages beim HSV unter www.abendblatt/sport.de