Claudia Nystad verlor die Nerven und attackierte Bundestrainer Jochen Behle - Kombinierer fahren zum sechsten Mal in Folge knapp an der Goldmedaille vorbei.

Liberec. Zweimal WM-Silber und trotzdem Stunk - die rechte Freude mochte sich beim deutschen Ski-Team nach der Fortsetzung der unglaublichen Silberserie von Liberec nicht einstellen. Erst verlor Langläuferin Claudia Nystad nach dem sensationellen Staffel-Sturmlauf der Biathletin Miriam Gössner die Nerven und zeigte einen "Stinkefinger". Der sollte wohl Bundestrainer Jochen Behle gelten. Dann verpassten die deutschen Kombinierer um eine Schuhspitze das erste Weltmeisterschafts-Teamgold seit 22 Jahren und konnten sich mit dem sechsten Silber in Serie nicht so recht trösten.

"Bei einer WM Prügel zu verteilen, ist absolut unprofessionell. Was er sagt, kann ich nicht beeinflussen, und es ist mir auch wurscht", sagte Nystad die von der Dauerkritik von Cheftrainer Behle genervte Frau und stützte Frauenchef Ismo Hämäläinen: "Diese Medaille ist einzig allein für Ismo." Unmittelbar danach leistete sich die 31-Jährige die unmissverständliche Geste mit dem Mittelfinger. Behle nahm es gelassen: "Wenn sie so gut läuft, kann sie öfter so eine Reaktion zeigen. Außerdem ging es nicht nur um Ismo. Wir haben über Leistungen diskutiert, und die waren nicht zufriedenstellend."

Der Eklat überschattete den ersten Medaillengewinn für die viel gescholtenen Frauen und einen guten Tag für das deutsche WM-Team, das mit fünf Mal Silber fast das Ziel von sechs bis acht Medaillen erreicht hat. Bei Halbzeit über 4 x 5 Kilometer hatte das deutsche Quartett noch chancenlos mit über einer Minute zurücklegen, dann führte das 18 Jahre alte Skating-Wunder Gössner Deutschland mit der besten Rundenzeit wieder heran. Nystad schob auf der Ziellinie die Skispitze noch um 0,4 Sekunden an der Schwedin Charlotte Kalla vorbei. Gold gewann Topfavorit Finnland.

"Von der Biathletin zur Vizeweltmeisterin im Langlauf, das ist der Hammer und einfach Wahnsinn", sagte Gössner: "Aber ich bleibe trotzdem Biathletin." Nystad nahm die kleine Retterin in die Arme und sagte: "Ich bin eben die Drama-Queen." Evi Sachenbacher-Stehle, die als abgeschlagene Sechste übergeben hatte, weinte vor Freude: "Die Beste ist eine Biathletin - das ist schon ein bisschen schlecht für uns Langläuferinnen. Die kleine Miri ist der Hammer. Ich denke, ich spinne. Die lassen wir nicht mehr weg." Sportchef Thomas Pfüller will sie bei Olympia 2010 in Vancouver möglicherweise ins Langlaufteam zurückholen.

Zwei Stunden später schlug Kombinierer Tino Edelmann im Schnee liegend die Hände vors Gesicht, nachdem er trotz eines Spagats auf der Ziellinie den Spurt gegen Außenseiter Japan mit Norihito Kobayashi verloren hatte. 0,0 Sekunden Rückstand stand auf der Ergebnistafel, aber den lange ersehnten Titel gab es trotzdem nicht.

"Ich freue mich über die Medaille, aber wenn man so knapp davor ist, ist das schon ärgerlich. Ich habe fast die ganze Zielgerade an mich geglaubt und mein Bein vorgeschmissen, aber es sollte einfach nicht sein", erklärte Edelmann. Auch bei Bundestrainer Hermann Weinbuch mochte sich mit Blick auf die seit Olympia 2002 andauernde Silber-Serie bei Teamwettbewerben nicht die rechte Freude einstellen. Er hatte in Oberstdorf 1987 selbst noch das letzte deutsche WM-Teamgold gefeiert: "Wir haben um Gold gekämpft und haben wieder nur Silber. Aber es hat am Ende wieder das letzte Quäntchen gefehlt."

Bestes Material hatte nur Eric Frenzel an den Füßen, der mit den Ski von Gössner lief. Edelmann rang dann auf der Zielgerade den haushohen Favoriten Magnus Moan für Norwegen nieder, aber der kleine Mann aus Fernost hatte etwas gegen die erste deutsche Siegesparty in Tschechien."

Während die Deutschen zumindest Silber in den Händen hielten, herrschte im mitfavorisierten US-Team um Doppelweltmeister Todd Lodwick dicke Luft. Bill Demong hatte beim Springen plötzlich keine Startnummer und wurde disqualifiziert. "Das Leibchen war in meinen Schuh gerutscht, ich hab es nicht gefunden. Ich bin ein Idiot", meinte Demong und wurde noch an der Schanze von Lodwick beschimpft. Zum Lauf traten die Amerikaner wegen Chancenlosigkeit nicht mehr an.