Der 51-Jährige wünscht sich für die zukünftigen Führungskräfte der Bundesliga ein ähnliches Ausbildungssystem wie derzeit bei den Trainern und fordert DFB und DFL zum Handeln auf.

Abendblatt:

Herr Schulte, ziemlich genau vor einem Jahr wurde bekannt, dass Sie als Sportchef zum FC St. Pauli zurückkehren. In Ihrem ersten Abendblatt-Interview sagten Sie, dass sich Ihr damals 13-jähriger Sohn nur schwer mit Ihrer Entscheidung arrangieren konnte. Hat er sich mittlerweile in Hamburg eingelebt?

Helmut Schulte:

Er ist glücklicherweise total zufrieden. Und auch meine Tochter wurde an ihrer neuen Schule super aufgenommen. Beide wollen gar nicht mehr aus Hamburg weg.



Abendblatt:

Und wie würden Sie Ihr erstes Jahr als St. Paulis Sportchef bewerten?

Schulte:

Ohne im Bösen zurückblicken zu wollen, muss ich sagen, dass mir die Arbeit hier beim FC St. Pauli doch viel mehr Spaß macht als mein Job zuvor beim FC Schalke 04.



Abendblatt:

Worüber haben Sie sich besonders gefreut?

Schulte:

Über den Klassenerhalt und darüber, dass Physiotherapeut Peter Ott und Teammanager Christian Bönig das Rauchen aufgegeben haben.



Abendblatt:

Was hat Sie enttäuscht? Was hätten Sie im Nachhinein anders gemacht?

Schulte:

Enttäuscht hat mich, dass unser Masseur Ronald Wollmann wieder mit dem Rauchen angefangen hat (lacht). Abgesehen davon hätte ich mich vielleicht bei der einen oder anderen Vertragsverhandlung anders verhalten sollen. Aber das bleibt intern.



Abendblatt:

St. Pauli hatte ein Zehn-Punkte-Profil für den perfekten Sportchef aufgestellt. Haben Sie überprüft, wie viele Punkte Sie erfüllen?

Schulte:

Vizepräsident Bernd Spies hat dieses Profil ja erstellt, und ich war schon überrascht, wie sehr dieses Papier auf mich zugeschnitten war.



Abendblatt:

Sehr bescheiden. Laut dem damaligen Papier sollten Sie Erfolge in der Zweiten Liga vorweisen, ein mittelfristiges sportliches Konzept vorlegen, internationale Trends aufnehmen, Fachkenntnisse bei der Abwicklung von Transfers haben, die Bereitschaft, weiter auf deutsche Nachwuchsspieler zu setzen, kommerzielles Verständnis, persönliche Integrität, Erfahrungen im Scoutingbereich und Grundkenntnisse im Bereich der Sportmedizin mitbringen sowie einen integren Umgang mit Beratern pflegen.

Schulte:

Ich glaube schon, dass man hinter alle zehn Punkte bei mir einen Haken machen kann. Mir kam natürlich auch noch zugute, dass ich schon mal beim FC St. Pauli gearbeitet hatte - sowohl als Manager, als auch als Trainer.



Abendblatt:

Als Profitrainer muss man einen elfmonatigen Kurs zum Fußballlehrer absolvieren. Würde so ein Kurs auch für Manager Sinn machen?

Schulte:

Absolut. Mir selbst hätte so ein Kurs auch gut getan. Ich muss selbstkritisch zugeben, dass ich zu Anfang als Manager 1996 zu grün war und dem FC St. Pauli in der Bundesliga kaum helfen konnte.



Abendblatt:

Wie könnte so ein Kurs für Manager aussehen?

Schulte:

Man müsste ihn ähnlich strukturieren wie die Ausbildung zum Trainer in Köln. Das heißt, dass die Anwärter knapp ein Jahr lang die Schulbank drücken müssten, um dort sämtliche Teilbereiche des Jobs zu erlernen: sportlich, strukturell, wirtschaftlich.



Abendblatt:

Glauben Sie, dass die Bundesliga-Manager ähnlicher Meinung sind?

Schulte:

Vor ein paar Tagen saß ich zufälligerweise lange mit Bayerns Uli Hoeneß zusammen und habe mit ihm genau über dieses Thema gesprochen. Und obwohl er als Quereinsteiger wie die Mutter zum Kind gekommen ist, hat auch Hoeneß für so einen Ausbildungslehrgang plädiert.



Abendblatt:

Dabei ist Uli Hoeneß doch das beste Beispiel, warum eine verpflichtende Lizenz für Manager überflüssig wäre.

Schulte:

Einerseits stimmt das natürlich, aber andererseits ist er ja noch in einer ganz anderen Zeit Manager geworden. Der Aufwand, den man damals zu leisten hatte, ist gar nicht mehr mit den heutigen Zeiten zu vergleichen. Damals war doch bei weitem nicht so viel Geld im Spiel wie heute. Und auch das Medieninteresse war ein ganz anderes. Ich bin gespannt, wer Hoeneß bei Bayern mal ersetzen soll. Eine Ausbildung wäre hier sicherlich hilfreich. Schalkes Rudi Assauer hat mit Andreas Müller seinen Nachfolger auch selbst ausgebildet.



Abendblatt:

DFL und DFB müssen also reagieren?

Schulte:

Natürlich wäre das wünschenswert. Genauso wäre es wünschenswert, wenn man nicht nur Trainer und Manager ausbildet, sondern auch Aus- und Weiterbildungen für Torwart- und Athletiktrainer seitens des DFB anbietet.



Abendblatt:

Ihr Plädoyer für einen Managerlehrgang verwundert insofern, als dass der FC St. Pauli in den vergangenen Jahren zunächst alles versucht hat, um den Trainerlehrgang zu umgehen.

Schulte:

Holger Stanislawski profitiert unglaublich von diesem Lehrgang. Aber natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es Übergangslösungen gibt von einem halbjährigen Kurs, bei dem man sehr großzügig mit den Schülern war, und dem jetzt doppelt so langen Lehrgang, bei dem man überhaupt nicht mehr großzügig ist.



Abendblatt:

Eine Ausnahmeregelung, wie sie Lothar Mathäus bekommen hat, lehnen Sie also ab?

Schulte:

Ich bin da der gleichen Meinung wie Matthias Sammer. Jeder Profitrainer, der ein Bundesligateam trainieren will, muss eine Lizenz haben. Und es darf keine Ausnahmen mehr geben.



Abendblatt:

Auch nicht für Stuttgarts Markus Babbel?

Schulte:

Es gibt keinen Grund, irgendjemandem für irgendwelche Verdienste eine Lizenz zu schenken. Eine Lex Matthäus war ungerecht und eine Lex Babbel wäre das auch.



Abendblatt:

Haben Sie mit Holger Stanislawski, der jede Woche zwischen Köln und Hamburg pendelt, kein Mitleid?

Schulte:

Doch, was Stani in dieser Saison körperlich und psychisch leisten muss, nötigt höchsten Respekt ab. Aber man darf nicht den Nutzen unterschätzen. Der Lehrgang ist eine in Deutschland einzigartige Börse für Trainer, bei der alle Informationen sämtlicher Topleute zusammenlaufen.



Abendblatt:

Sie selbst haben Ihre Trainerlizenz gerade bis 2011 verlängert. Reizt Sie der Job am Spielfeldrand noch?

Schulte:

Überhaupt nicht. Als Manager bin ich nicht mehr so abhängig vom Tageserfolg wie als Trainer. Ich würde höchstens als Rentner ein Jugendteam trainieren, wenn mich niemand mehr als Sportchef haben möchte. Aber das wird hoffentlich noch etwas dauern.