Der siebenfache Tour-de-France-Gewinner Lance Armstrong im Interview über sein Comeback, Doping-Tests und seinen Kampf gegen den Krebs.

Abendblatt:

Herr Armstrong, können Sie verstehen, dass viele Kritiker und Fans Sie weiterhin für einen Dopingsünder halten?

Lance Armstrong:

Ich weiß. Die Skeptiker und Kritiker wollen am liebsten von mir hören: "Ja, ich habe betrogen." Aber, verdammt noch mal, warum sollte ich lügen? Ich habe nicht gedopt und ich werde nicht lügen, nur damit diese Leute zufrieden sind.



Abendblatt:

Wie wollen Sie die Fans überzeugen?

Armstrong:

Ich bin 14-mal seit der Ankündigung meines Comebacks unangemeldet getestet worden. Außerdem unterwerfe ich mich freiwillig dem umfassendsten Anti-Doping-Verfahren in der Geschichte des Sports. Die Leitung hat der anerkannte Anti-Doping-Spezialist Don Catlin. Er ist autorisiert, meine Blutwerte öffentlich zu machen. Was kann ich sonst noch tun, damit die Skeptiker verstummen?



Abendblatt:

Ist der Kampf gegen den Krebs wirklich der Grund für Ihr Comeback?

Armstrong:

Natürlich ist Radrennen meine große Leidenschaft, und ich fühle mich mit 37 fit und fähig, meine Passion wieder auszuleben. Ich habe wieder riesigen Spaß. Aber als einer, der den Krebs überlebt hat, fühle ich mich vor allem verpflichtet, als Advokat für den Kampf gegen diese Krankheit aufzutreten. Ich will mit meinem Comeback den Krebs mehr ins Bewusstsein der Menschen bringen. Wichtig ist das Engagement meiner Stiftung für die Krebsvorsorge. In den letzten Jahren habe ich überall auf der Welt darüber Vorträge gehalten, von Dänemark bis Südkorea. Dafür habe ich Geld bekommen. Auch für meinen Start in Adelaide wurde ich von der Regierung bezahlt. Bei Johan (Astana-Chef Bruyneel, d. Red.) fahre ich umsonst.



Abendblatt:

Wie fühlen Sie sich denn als 37-Jähriger nach den ersten 793 Rennkilometern?

Armstrong:

Ich habe die Bestätigung, dass ich nach dreieinhalb Jahren Pause noch Rennen auf hohem Niveau fahren kann. Es gab zwar Momente während der Tour Down Under, da habe ich gelitten. Dann habe ich mich daran erinnert: "Lance, es ist Januar und noch nicht Mai oder Juli."



Abendblatt:

Wie wurden Sie im Peloton aufgenommen?

Armstrong:

Es war angenehm, wieder dabei zu sein und ein paar altbekannte Gesichter wiederzusehen. Mit keinem Fahrer hatte ich während der Etappen einen Disput. Auch nicht mit den Franzosen. In Gesprächen mit jungen Fahrern wie dem 19-jährigen Talent Jack Bobridge aus Australien oder auch mit Andre Greipel hatte ich das Gefühl, die haben Respekt. Sie haben mich begrüßt: "Welcome back."



Abendblatt:

In Deutschland ist die Stimmung gegen den Radsport geradezu feindlich nach all den Dopingskandalen.

Armstrong:

Ich habe zum Teil Verständnis dafür. Die Leute hatten sich in Deutschland sehr für den Radsport engagiert. Mit Investitionen und Emotionen. Diese Leute fühlen sich jetzt verraten.



Abendblatt:

Ihre Rückkehr liefert ARD und ZDF ein zusätzliches Argument, die Tour de France nicht zu übertragen.

Armstrong:

Ich habe darüber mit dem Vorsitzenden der European Broadcasting Union gesprochen, einem Deutschen. Ich habe ihm gesagt: "Sorry, ich werde die Tour fahren. Und ich tue das für einen großen Zweck, die Krebs-Kampagne." Er hat mich gefragt, ob ich dennoch sportlich erfolgreich sein wolle. Ich habe geantwortet: "Ja. Und was immer Sie und Ihr Land auch davon halten: Ich komme zur Tour." Ich habe das Gefühl, er hat mich verstanden.



Abendblatt:

War Ihr Gesprächspartner Fritz Pleitgen?

Armstrong:

Ja.



Abendblatt:

Wann und wo hat das Gespräch stattgefunden?

Armstrong:

Ich habe mir seine Telefonnummer im Internet besorgt und ihn letzten Monat angerufen.



Abendblatt:

Wie sehen Sie denn die allgemeine Radsport-Situation in Deutschland?

Armstrong:

Ich hoffe, die Einstellung ist nicht "feindlich", wie Sie es ausdrücken. Aber was dort mit dem Radsport geschieht, das ist schon ein Drama.



Abendblatt:

Ist Ihr Comeback auf dieses Jahr beschränkt?

Armstrong:

Nein. Ich habe vor, auch noch 2010 dranzuhängen.



Abendblatt:

Wie sieht das Programm für 2009 aus?

Armstrong:

Tour of California, Mailand-San Remo, Criterium International, Flandern-Rundfahrt, Giro Trentino, Giro, ein Baby im Juni, Tour.



Abendblatt:

Überführte Doper wie Ivan Basso und Floyd Landis kehren jetzt zurück. Ist das wirklich in Ordnung?

Armstrong:

Die Regeln besagen: zwei Jahre Sperre. Sie haben Ihre Strafen bezahlt und dürfen in die Gesellschaft zurückkehren. Es ist wie im richtigen Leben.