Nur 24 Stunden nach seiner Ankunft beim DFB-Team musste Thomas Müller vom FC Bayern München einen Schreckmoment verkraften.

Eppan. Langsam wird's unheimlich: Joachim Löw bleibt vom Verletzungs-Fluch verfolgt – Bayern-Jungstar Thomas Müller erwischte es jetzt sogar beim Radfahren. Gerade als in dem designierten Kapitän Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Hans-Jörg Butt die letzten der nur noch 25 WM-Kandidaten am Mittwoch in Südtirol eintrafen, stürzte Neuankömmling Müller beim Mountainbike-Training und musste wegen einer Platzwunde am Kinn sowie aufgeschürften Knien von den DFB-Medizinern behandelt werden.

Die Zuversicht für das WM-Unternehmen in Südafrika will sich der Bundestrainer aber nicht nehmen lassen. „Damit muss man einfach leben“, erklärte Löw nach dem Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zur anhaltenden Pechsträhne. Und auch der verletzte Kapitän Michael Ballack übermittelte nochmals Hoffnung nach Südtirol. „Joachim Löw wird das Optimum rauskitzeln, davon bin ich überzeugt. Bei den letzten Turnieren wurden wir Zweiter und Dritter, warum soll so etwas nicht wieder klappen?“, sagte Ballack im Magazin „Stern“.

Zumindest die ganz große Schreckensmeldung blieb Löw nach Müllers Radunfall in den Weinbergen von Eppan erspart, anders als zuvor in den Fällen Ballack, Adler, Rolfes und Träsch. Die WM-Teilnahme des 20-jährigen Münchners ist nicht gefährdet. Allerdings musste sich der Bayern-Aufsteiger gerade 24 Stunden nach seiner Ankunft in Südtirol von Mannschaftsarzt Josef Schmitt die Platzwunde im Gesicht sogar nähen lassen. Muskeln und Knochen aber sind nicht in Mitleidenschaft gezogen, teilte der Deutsche Fußball-Bund erleichtert mit.

Auf dem Übungsplatz der Sportzone Rungg demonstrierte Löw lautstark und entschlossen, dass er sein Personal nun nicht in Watte packen wird und was er trotz der vielen Rückschläge erwartet: Es muss weiter gehen. Weiter, immer weiter – ganz nach dem Motto des ehemaligen Torwart-„Titans“ Oliver Kahn. „Ich gehe ganz normal mit dieser Situation um. Ich ziehe jetzt nicht zurück, sonst passiert am ehesten was“, berichtete am Mittwoch Stürmer Cacau, dass die Spieler nun nicht übervorsichtig die WM angehen.

Auch die Bayern-Stürmer Miroslav Klose und Mario Gomez sahen sich in Eppan sofort mit den normalen Abläufen konfrontiert, die allerdings am Mittwoch von einer unangemeldeten Doping-Kontrolle der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) durcheinandergebracht wurden. Gleich 14 der 25 Spieler wurden zum Test ausgelost.

„Die Bayern-Spieler sollen sich erst in aller Ruhe eingewöhnen. Wir werden auch noch ein paar Gespräche führen“, sagte Löw, nachdem die letzten Nachzügler Lahm, Schweinsteiger und Butt im Trainingscamp angekommen waren. Gomez und insbesondere Klose, die bei Bayern in dieser Saison nur wenige Einsatzzeiten bekommen haben, mussten gleich das Programm der Offensiv-Spieler mit absolvieren. Müller und Holger Badstuber wurde eine Einheit auf dem Rad verordnet – bis zum Unfall.

Dass die sieben Bayern-Profis, von denen gerade Lahm und Schweinsteiger viele Saisonspiele in den Beinen haben, erst einmal eine längere Erholungsphase benötigen, glaubt die sportliche Leitung nicht. „Ich sehe das nicht so dramatisch. Ich glaube, dass Spieler wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger aufgrund ihrer guten Fitness einen Spiel-Rhythmus lange aufrechterhalten können. Es ist nicht so, dass man ihnen zwei Wochen komplette Auszeit geben müsste“, bestätigte Teamarzt Tim Meyer.

Dennoch wird Löw nach den Schreckensmeldungen bei seinen wichtigsten Spielern nun noch vorsichtiger sein. „Wir wissen, jeder Tag ist wichtig, aber wir werden keine Verletzung riskieren. Es ist ganz wichtig und vernünftig, dass die Spieler einige Tage im separaten Bereich trainieren“, erklärte der Bundestrainer, der schon am Mittwoch vor allem mit Klose auch auf dem Trainingsplatz intensiv sprach. „Ich hatte immer großes Vertrauen in ihn – und er hat für das Vertrauen mit Qualität zurückbezahlt“, sagte Löw.

Die Situation rund um das Nationalteam erinnert immer mehr an eine ähnlich missliche Lage vor der WM 2002. Damals hatten sich in Sebastian Deisler, Jens Nowotny und Christian Wörns auch gleich drei Stützen vor dem Turnier verletzt. Teamchef Rudi Völler kitzelte in Japan und Südkorea dann eine Trotzreaktion aus der Mannschaft, der eigentlich niemand mehr etwas zugetraut hatte. Michael Ballack, Bernd Schneider, der mit fünf Toren auftrumpfende Klose und der damals noch unbekannte Christoph Metzelder sowie vor allem Kahn führten Deutschland bis ins Finale. Nur Brasilien verhinderte den Triumph.

Cacau hatte zu der Zeit noch seinem Geburtsland Brasilien die Daumen gedrückt, jetzt will der 29-jährige Stürmer das deutsche Wunder von 2002 mit wiederholen. „Jeden Tag steigt ein bisschen die Spannung“, berichtete Cacau. „Australien, Serbien, Ghana, das sind athletische, robuste Teams. Unsere Mannschaft muss am Limit spielen, um in der K.-o.-Runde große Nationen zu schlagen. Das war vor meinem Ausfall so, das ist jetzt immer noch so“, übermittelte Ballack.