Ronald Lotz, Manager des Oberligisten SC Victoria, über die aktuelle sportliche Krise der Hamburger und den Hit gegen den VfL Wolfsburg am Dienstag.

Hamburg. Victorias Krise in der Oberliga, der DFB-Pokal-Hit gegen den VfL Wolfsburg (Dienstag, 19 Uhr, Millerntor) und die Regionalliga-Reform. Vickys Manager Ronald Lotz ist im Dauerstress - und hat viel zu erzählen.

Abendblatt:

Herr Lotz, der SC Victoria kassierte gegen Condor (1:2) die vierte Heimniederlage in Folge. Was ist los?

Ronald Lotz:

Die Spieler erlebten in den vergangenen Monaten viel. Das Double im Mai, die Pokalsensation gegen RWO (1:0) und das Freundschaftsspiel gegen den HSV (1:5) müssen erst verarbeitet werden. Zudem galt es, zehn neue Spieler zu integrieren. Trotzdem spielten wir oft guten Fußball, auch wenn die Ergebnisse nicht stimmten.

Nun wartet im DFB-Pokal der Vfl Wolfsburg. Glauben Sie an eine Sensation?

Lotz:

Auf dem Papier ist die Sache klar. Wolfsburgs Etat beträgt rund 60 Millionen Euro, unser Etat ist fünfstellig. Wir spielen vier Ligen tiefer und sollen das magische Dreieck mit Diego, Dzeko und Grafite stoppen.

Dann ist ja alles klar ...

Lotz:

Nein. Auch wir haben Spieler, die besondere Qualität aufweisen. An besonderen Tagen kann Roger Stilz über 90 Minuten auf diesem Niveau mithalten. Und Stephan Rahn kann mit seinen Freistößen gegen jeden Torwart der Welt treffen.

Wie hoch stehen also die Chancen?

Lotz:

Bei einem bis zwei Prozent. Aber gegen RWO war es kaum anders. Wenn der VfL herkommt und nur ein nettes Trainingsspiel machen will, haben wir eine Chance. Dass die Sensation möglich ist, das fasziniert die Leute ja seit jeher am Fußball.

Wie viele Fans faszinieren Sie?

Lotz:

Stand Anfang letzter Woche haben wir 4500 Karten abgesetzt. Natürlich hoffen wir auf eine Riesenkulisse. Wie viele Fans kommen, kann ich nicht prognostizieren. Das mediale Interesse am SC Victoria ist jedenfalls riesig, seit wir RWO besiegten.

Ist der Gewinn schon abzuschätzen?

Lotz:

Wir hoffen, durch die Zuschauereinnahmen unsere Ausgaben am Millerntor decken zu können. Dann wären das 250 000 Euro Fernsehgeld und 35 000 Euro Bandengeld. Das meiste soll in die Infrastruktur fließen.

Um nach der nun erfolgten Regionalliga-Reform bald aufzusteigen?

Lotz:

Dieses Jahr ist der FC St. Pauli II in der Oberliga das Maß aller Dinge, und wir nutzen die Zeit zur neuen strategischen Ausrichtung. Ab der nächsten Saison müssen wir dann schauen, wie wir uns in Sachen Aufstieg verhalten.

Wie finden Sie denn die Reform? Fünf Regionalligen statt drei und nur noch maximal sieben zweite Teams pro Regionalliga ...

Lotz:

Das geht in die richtige Richtung. Wir hätten uns aber mehr gewünscht.

Was genau?

Lotz:

Einen Wegfall der Regionalligen und eine komplette Ausgliederung der zweiten Mannschaften. Wir werden das Beste draus machen.

Victoria Hamburg freut sich auf Spiel des Jahres

Der größte Außenseiter der zweiten DFB- Pokalrunde kommt aus Hamburg: Fünftligist SC Victoria hat am Dienstag (19 Uhr, Millerntor) im Spiel gegen den Bundesligisten VfL Wolfsburg seinen großen Tag. „Die Vorfreude ist groß, der Rummel aber auch. Ich bin froh, wenn es nun endlich losgeht“, sagte Trainer Bert Ehm. Mehr als zwei Monate hatte der Verein Zeit, das sensationelle 1:0 gegen RW Oberhausen zu verdauen und den Festtag zu planen. Der Umzug ans Millerntor war schnell beschlossen, denn die Flutlichtanlage an der eigentlichen Heimstätte Hoheluft ist nicht fernsehtauglich.

„Wir überlegen aber, einiges der Pokaleinnahmen in ein neues Licht zu investieren“, sagte Präsident Helmuth Korte. Darüber hinaus sind die finanziellen Planungen noch nicht abgeschlossen. Nach den rund 100 000 Euro aus der ersten Runde darf sich der Verein nun über 250 000 Euro Fernsehgelder freuen. Hinzu kommen die Zuschauereinnahmen: Mehr als 4000 Karten gingen bereits im Vorverkauf weg. Zum Vergleich: Das letzte Punktspiel gegen den SC Condor besuchten am vergangenen Donnerstag 98 zahlende Zuschauer.

Abzüglich der Stadionmiete für den FC St. Pauli und einiger Organisationskosten bleibt am Ende rund das Doppelte des normalen Jahresetats des Fünftligisten übrig. Geld, das auch in die Mannschaft fließt. So bekam jeder Spieler für den Sieg gegen Oberhausen 2000 Euro. Eine Prämie für einen möglichen Erfolg gegen Wolfsburg wurde allerdings noch nicht ausgehandelt.

„Das ist noch mal eine ganz andere Welt“, sagte Ehm, „da muss an solchen Tagen schon viel zusammenkommen, um eine Chance zu haben“. Zumindest muss man einen guten Torwart haben, und da zieht Ehm einen Youngster aus dem Ärmel: Der 20 Jahre alte Dennis Wolf soll die Wölfe stoppen. Und vorn soll es wieder einmal Stephan Rahn richten: Der schoss im Hamburger Pokalfinale 2008 das goldene Tor zum 1:0-Sieg, er traf im Pokalfinale 2010 (Endstand: 1:0), und er machte per Freistoß den Sieg gegen Oberhausen perfekt.

Nur ein Traum ging für den 28-Jährigen noch nicht in Erfüllung: ein Duell gegen seinen Bruder Christian, der bei Greuther Fürth spielt. Dafür müsste der gelernte Autoverkäufer noch einmal zuschlagen. Wenn es nicht klappt, geht die Welt bei dem familiären Verein aus Hamburg-Eimsbüttel auch nicht unter. Dann könnte sich das Team wieder auf die Punktspiele in der Oberliga konzentrieren. Denn dort rutschte der Vierfach-Meister Victoria auf den siebten Platz ab, verlor die vergangenen vier Heimspiele.