Die Seen rund um Müritz kann man natürlich mit dem Boot erkunden - ungewöhnlicher ist es jedoch mit der Draisine auf alten Bahnschienen

Am wolkenlosen Himmel ziehen Vögel ihre Kreise. Leicht und schwerelos sieht das aus, fast wie ein Spiel. Manche scheinen sich überhaupt nicht zu bewegen, und vollends damit beschäftigt zu sein, die Schönheit der Landschaft unter sich zu bestaunen.

So gemütlich wollen wir es uns heute nicht machen. Vor uns liegt eine weite Reise, bei der wir kräftig in die Pedale treten. Allerdings nicht auf einem Fahrrad, sondern auf einer Draisine. Sind das nicht die Dinger, die Cowboys in alten Western-Filmen mit der Hand bewegt haben? Nein, hier wird nicht gehebelt, hier wird geradelt, das schont den Rücken.

Die Draisinentour auf dem stillgelegten Bahngleis beginnt unweit des Plauer Sees. Die Ausleihstation befindet sich nahe der ehemaligen Damerower Kaserne zwischen Karow und Goldberg, inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte. Das Land der tausend Seen - so wird dieses Gebiet im südlichen Mecklenburg genannt. Es ist eines der größten zusammenhängenden Seengebiete Europas und damit ein ideales Ausflugsziel für Wassersportler, Angler und Badenixen. Es erstreckt sich sichelförmig von der Landesgrenze zu Niedersachsen bis an das Ueckertal im Osten. Das Herz dieser Region bilden die Oberseen Müritz (mit 110 Quadratkilometer Fläche der größte), Plauer See, Kölpinsee und Fleesensee.

Wer Ruhe und wilde Romantik sucht, ist in dieser dünn besiedelten Gegend genau richtig. Die Landschaft, die maßgeblich durch die Eiszeit entstanden ist, begeistert die Besucher: weite Felder, urdeutsche Buchenwälder, riesige Moorflächen, verschlafene Dörfer. Schon der Adel hatte erkannt, wo es besonders schön ist, und so ist die Mecklenburgische Seenplatte heute reich an Burgen, geheimnisvolle Gutshäuser und Schlössern. Kastanien- und Lindenalleen führen zu den Herrensitzen im Baustil der Backsteingotik, Renaissance, des Englischen Landhausstils, Klassizismus oder der Neogotik. Viele dieser Prachtbauten werden touristisch genutzt, ob als Festspielort für Musikfestivals wie Schloss Ulrichshusen und Gutshof Woldzegarten, als Museum wie Schloss Hohenzieritz mit der Königin-Louise-Gedenkstätte oder der Alten Burg mit ihren Hexenverliesen, als Hotel oder Ferienwohnung.

Nicht weniger majestätisch präsentieren sich die Seeadler, die sich seit den 90er-Jahren wieder in dieser Region niedergelassen haben. Auch Eisvögel und sogar Kraniche können Naturfreunde beobachten, wenn sie im Fürhjahr und Herbst auf ihrem Zugweg zwischen Brutplätzen in Nord- und Osteuropa und den Überwinterungsgebieten im Süden hier einen Zwischenstopp einlegen..

Die Strecke auf der Draisine führt uns durch die Kleinstadt Goldberg bis kurz vor Sternberg. Bis zum letzten Rastplatz, der gleichzeitig Wendepunkt ist, sind es 23 Kilometer. Danach geht es zurück nach Karow. Spätestens um 17.30 Uhr muss das Gefährt dort wieder abgegeben werden, dann startet die Abendtour.

Den Spaß haben wir Karl Freiherr von Drais (1785-1851) zu verdanken, wenn man so will. Der deutsche Forstlehrer gilt als Erfinder der Draisine. Die schlechte Ernte von 1812 ließ die Haferpreise steigen, und so suchte der Badener nach pferdelosen Fortbewegungsalternativen. Das Resultat: vierrädrige Fahrmaschinen mit Tretmühle oder zu tretender Kurbelwelle zwischen den Hinterrädern. Ein paar Jahre später folgten hölzerne Zweiräder - Vorläufer des Fahrrads. Allerdings mussten die Menschen damals noch ohne Gangschaltung auskommen.

Welch Glück, dass unsere 80 Kilogramm schwere Alu-Fahrrad-Draisine mit sieben Gängen ausgestattet ist. Fast geräuschlos strampeln wir uns auf sechs Gummireifen und vier Kunststoffrollen voran. Nur unser leises Stöhnen ist zu hören, wenn es mal wieder leicht bergauf geht. Hinter der nächsten Kurve wird es wieder leichter. Zeit, Natur und Landschaft zu genießen. Hinter Röhricht blitzt der Damerower See hervor. Alte Strommasten säumen die Strecke. Überbleibsel aus der Zeit, als hier noch Züge fuhren. Das ist nun schon zwölf Jahre her. Trotzdem bleibt im Hinterkopf ein Rest Zweifel. Da wird doch nicht noch einer angerast kommen? Natürlich nicht. Die maroden Leitungen sind längst von Kletterpflanzen überwuchert. 23 Kilometer Schienenstrang kaufte Draisinenbetreiber Ralf Schwanebeck der Deutschen Bahn ab und eröffnete 2003 die Strecke für Touristen. Seit 2009 können diese auch auf einem Teilstück der ehemaligen Gleisstrecke Waren-Malchin auf 13 Kilometern mit der Draisine fahren.

Schwungvoll geht es einen Hügel hinunter. Kiefern und Birken wechseln sich ab. Hier im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide muss es viel Wild geben. Auch wenn es sich heute im Verborgenen hält, die zahlreichen Hochstände zeugen davon.

Wo Straßen die Schienen kreuzen, hindern Schranken an der Weiterfahrt. Leider haben die Draisinen keine eingebaute Vorfahrt. So heißt es absteigen und die Schranke per Hand öffnen und schließen. Schnell über die Straße geschoben, schon kann es weitergehen. Am Landgasthof machen wir Mittag. Die Draisine heben wir aus den Schienen, um die Gleise für den nachkommenden Verkehr nicht zu blockieren. Und sollte doch mal ein Hindernis in Form eines zu langsam fahrenden Vordermanns auftauchen - Überholen ist kein Problem. Einfach die Draisine tauschen. So kann jeder sein Tempo fahren.

Die Schenke ist gut besucht. Es gibt deftige Hausmannskost. Scholle mit Speck soll es für uns sein. Dazu ein kühles Bier. Gestärkt und gut gelaunt geht es weiter. Ein paar Kinder spielen auf dem blauen Vehikel. Als sie uns sehen, verdrücken sie sich schuldbewusst in die Büsche. Dabei hätten wir sie auch ein kleines Stück auf der Bank zwischen uns chauffiert, jetzt, da wir wieder bei Kräften sind. Schließlich bietet die Draisine Platz für vier. Zwei treten, zwei genießen. Eine Dame mit Pudel geht an uns vorbei. Das Tier legt verwundert den Kopf zur Seite und bleibt stehen. Wohl noch nie eine Draisine gesehen?

Wer eine Kombi-Aktiv-Tour gebucht hat, tauscht in Goldberg sein Gefährt gegen ein Kanu. Die sechs Kilometer lange Fahrt auf dem Flüsschen Mildenitz und über den Dobbertiner See dauert ca. zwei Stunden. In dem Klosterdorf Dobbertin geht es mit dem Fahrrad wieder Richtung Goldberg. Für die neun Kilometer sollte man eine Stunde Zeit einplanen. Die Tour führt über wenig befahrene Straßen und Radwege. In Goldberg kann man dann wieder auf die Draisine umsteigen und zurück zur Ausleihstation fahren.

Eine andere Tour sieht 17 Kilometer mit der Draisine vor bis zum Rastplatz Below. Dort können Ausflügler eine Mittagspause einlegen, bevor sie mit dem Pferdewagen in das sechs Kilometer entfernte Dobbertin gebracht werden. Hier kann die Klosteranlage besichtigt werden (Führungen sind möglich). Um 15 Uhr startet Kapitän Müller zu einer Rundtour auf dem Dobbertiner See. Nach der Schiffsrundtour geht es mit einem Shuttle-Service wieder zurück zur Damerow-Kaserne.

Uns reicht das Treten auf der Trasse völlig aus. Nach drei Stunden erreichen wir Borkow. Alle absteigen, bitte!

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