Kikeriki", weckt uns der spanische Hahn am Morgen. "Zirp, zirp", geigen uns die Grillen am Abend in den Schlaf. Genauso haben wir uns das vorgestellt - das Landleben auf einer Finca. Urlaub auf einem spanischen Bauernhof, jenseits jeder Zivilisation. Keine Minibar, kein Roomservice, kein Büfett, sondern Ferien "back to the Roots". Das Urlaubsschicksal in die Hände der Natur legen, die regelt das schon auf ihre Weise.

"Miez, miez", schnurrt es auf unserem Terrakotta-Balkon. Wir sind nicht die einzigen Bewohner auf der Finca. Ein kleines Kätzchen rekelt sich in der Sonne, maunzt liebevoll unsere Kinder an. Mit Erfolg: Sie werden Freunde für diese zehn Tage. Als Liebesbeweis stellen unsere Kinder dem Kätzchen eine Schüssel voll Milch vor die Stupsnase. Am nächsten Morgen schlecken bereits zwei Haustiere vor unserer Haustüre. "Miez, miez, wie süß, das Kätzchen hat noch ein Baby!" Letztlich haben wir es ja so gewollt. Urlaub auf dem Bauernhof - da sind Tiere nun einmal inbegriffen. Und zwei kleine Kätzchen sind allemal angenehmer als ein Dutzend quiekender Schweine.

Das Zugeständnis an die Zivilisation ist der Supermarkt in der nächstgrößeren Stadt. Neben Oliven, Brot, Wein steht auf dem Einkaufszettel fett unterstrichen "Milch". Die Katzen trinken uns arm. Ein Tetrapack pro Tag - es ist, als hätten die Tiere jeden Morgen einen fürchterlichen Nachdurst. Kurz überkommt mich der Gedanke, Katzenfutter zu kaufen. Nein, das wäre ein Eingriff in die Natur. Hier auf dem Lande können sich die Kätzchen selbst ihre Nahrung fangen. Da werde ich doch kein karamellisiertes Futter aus dem Supermarkt mitbringen, ihnen auch noch die Dose öffnen und somit den angeborenen Jagdinstinkt zum Erliegen bringen (ein schwerer Fehler, der unser Urlaubsglück trüben sollte).

Am dritten Urlaubstag taufen unsere Kinder die Katzen. Die große Katze heißt ab sofort "Miez", die kleine "Miezi". Derweil versuche ich Miez und Miezi zoologisch zuzuordnen: Sind es Hauskatzen (lateinisch: Felis silvestris f. catus) oder Wildkatzen (Felis silvestris lybica), die auf einigen Mittelmeerinseln heimisch sind? Die nächsten Tage bringen Klarheit.

Die Kinder haben Miez und Miezi aus Sofakissen vor dem Haus ein Nachtlager gebaut. Dort schnurren die Kätzchen bis zum ersten Hahnenschrei - so die Planung. "Papi, Miezi hat eine ganz große Maus gefangen", werde ich aus dem Schlaf gerissen. Ich stehe auf und blicke auf die Terrasse: Vor unserem Frühstückstisch liegt eine riesige Ratte mit abgebissenem Kopf. Miez und Miezi haben bereits mit der Mahlzeit begonnen. Mit einer Schaufel aus dem Schuppen entferne ich die Reste der Ratte und werfe sie in einen Pinienhain. Die Kätzchen schnurren, als wäre nichts geschehen. Die Kinder vergeben ihnen - vergessen.

Am nächsten Morgen liegt ein ausgewachsener Hase vor dem Swimmingpool. Die Kätzchen sind gerade dabei, ihre erlegte Beute vor unser Schlafzimmerfenster zu zerren. Nun haben wir Gewissheit: Es sind Raubkatzen! Am nächsten Morgen reisen wir ab - bevor Miez und Miezi noch ein Schaf reißen ...