Die Stadt muss für 7000 Euro einen vier Meter hohen Zaun mit Tür bauen, damit die Anlage in Zukunft abgeschlossen werden kann.

Reinbek. "Am Besten wäre es, wenn man den Bolzplatz wegmachen würde", sagt Ursula Dohrmann (68). "Am besten wäre es, wenn man die Gesetze ändern würde", sagt Dr. Elisabeth Kasch (69). Die Frauen kennen einander nicht, aber beide ärgern sich über das, was mit dem Bolzplatz am Schaumanns Kamp in Reinbek geschieht. Er wird eingezäunt und mit einer Schließanlage versehen. Rund 7000 Euro wird das kosten. Eine Anliegerin hatte gegen die Stadt geklagt und den Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig gewonnen. Urteil: Die Stadt Reinbek hat sicherzustellen, dass der kleine Platz aus Gründen des Lärmschutzes nur an Werktagen in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 20 Uhr genutzt wird.

Wie sie das tut, hatte die Richterin Hilgendorf-Petersen der Stadt überlassen. Zur Wahl standen permanente Kontrolle, "vollständige Einzäunung der Spielfläche mit verschließbaren Zugängen" oder eine "elektronische Schließanlage". Nun wird ein etwa vier Meter hoher Zaun mit einer Tür gebaut - ein Fußballplatz hinter Gittern. Im Rathaus spricht man von einem "Bolzkäfig" - und ist froh, dass es gelungen ist, ehrenamtliche Helfer zu finden, die die "Käfigtür" auf- und abends wieder abschließen. Auf dass die Ruhe der Nachbarn nicht gestört werde.

Einer dieser ehrenamtlichen Schließer ist Dr. Elisabeth Kasch. Sie ist sauer. "Das ist unsolidarisch bis zum Gehtnichtmehr, dass da jemand gegen den Bolzplatz klagt", sagt sie beim Ortstermin am Schaumanns Kamp im Ortsteil Hinschendorf. Idyllisch ist es hier. Siedlungshäuser und gepflegte Vorgärten säumen die Tempo-30-Zone. Der Platz liegt ganz am Ende der Sackgasse. Auf dem gemähten Rasen steht ein hölzernes Spielgerät und glänzt im Licht der Nachmittagssonne, dann kommt das derzeit noch auf nur drei Seiten eingezäunte Spielfeld, das ein großer Baum zur Hälfte verschattet. Dahinter ein Kleingartengelände, rechts davon nichts außer einem großen Feld, auf dem das Korn wogt.

Still ist es hier. Von Kindern keine Spur. Anneke Harder (18), die ebenfalls beim Schließdienst helfen will, sagt: "Ich bin hier in der letzten Zeit öfter mal vorbeigegangen. Hier wird nicht oft gespielt, schon gar nicht abends. Das ist auch kein Treffpunkt feiernder Jugendlicher, das ist eher der Schlosspark. " Und Reinbeks Stadtjugendpfleger Ulrich Gerwe meint mit Blick auf den leeren Platz: "Laut Klägerin müsste hier jetzt eigentlich die Hölle los sein."

Er findet, dass Kinder unbedingt Raum zur Bewegung brauchen. "Bewegung ist positiv. Wenn man den Kinder das nimmt, kommen sie nur auf dumme Ideen."

Dennoch hat die Stadt sich notgedrungen dem Urteil gebeugt und Helfer in Hinschendorf gesucht. Sieben Familien machen mit: Gerwe hat schon einen Dienstplan gemacht. Reihum wird um 15 Uhr auf- und um 20 Uhr abgeschlossen - wenn der Zaun steht, der demnächst aufgebaut werden soll. Mehr ist nicht drin. Für die vom Gericht erlaubte Vormittagsöffnung ließen sich keine Helfer finden.

Dr. Elisabeth Kasch, ehedem Lehrerin, ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, demnächst mit dem Schlüssel in der Hand Jugendliche vom Platz weisen zu müssen. "Die hören doch gar nicht auf mich", sagt sie. Dann schüttelt sie den Kopf. "Ich verstehe nicht, dass es solche Gesetze gibt. Die Kinder sind doch unsere Zukunft."

Hinterm Bolzplatz, wo die Schrebergärten anfangen, versteht man auch so manches nicht. "Die sind da am Schreien und am Bölken, und immer in der Mittagszeit oder am Sonntag", sagt Klaus Grube. Seit 25 Jahren gibt es den Bolzplatz, seit 30 Jahren hat Grube seinen Garten. Ein herausgeputztes Fleckchen Erde mit Speichenrad, mit wetterfesten Vasen, die entfernt an Amphoren erinnern, mit Blumenkästen voller explodierender Blüten, mit einem Kaffeetisch auf der gepflasterten Veranda - und eben mit Fußbällen, die wie Meteoriten aus heiterem Himmel in Grubes Komfortzone einschlagen. "Die sind auch schon in meiner Kaffeetasse gelandet", sagt der Rentner.

Hat er den Ball zurückgegeben? "Wat glaubst du denn? De steck di de Hütte an. De heb den längeren Arm", sagt Grube in seinem Mix aus Hoch- und Plattdeutsch. Der 67-Jährige wirkt wie einer, mit dem man sich verständigen kann. Dennoch haben er und seine Frau Ursula Dohrmann die Polizei gerufen, wenn es ihnen zu viel wurde mit dem Lärm. Geholfen hat es nichts.

Auch Grubes Nachbarin Karin Peters ist nicht gut auf die Jugendlichen sprechen. "Meinen Mann haben sie schon mal angezeigt, nur weil er einem an den Arm gefasst hat", erzählt sie. Peters, ehedem Vorzimmerdame des alten Reinbeker Bürgermeisters Detlef Palm, hat den Kleingarten seit zehn Jahren. "Seitdem hab' ich auch den Ärger."

Ob der "Bolzkäfig" diesem Ärger ein Ende bereiten wird? Die Schrebergärtner haben da starke Zweifel. "Das bringt nichts, das Geld würde ich anderweitig für Kinder einsetzen", sagt Ursula Dohrmann. Peter Grube meint: "Mit den Hinschendorfern kann man ja reden, die müssen ja auch irgendwo spielen. Aber die Jugendlichen aus Lohbrügge, die über den Feldweg rüberkommen, die sind schlimm. Die ziehen die Hosen runter und seggen: Trek mi am Mors." Dann sagt er zu seiner Ursula: "Aber in letzter Zeit war gar nicht mehr so viel los, oder?"

Im Urteil des Verwaltungsgerichts spielen blankziehende Jugendliche keine Rolle. Da geht es um die Freizeitlärm-Richtlinie und um Immissionsrichtwerte. Natürlich gab es ein Gutachten. Ausgegangen wurde dabei laut Urteil von einem Lärmpegel, "dem eine Nutzung des Bolzplatzes durch etwa 25 Kinder entspricht, die laut rufend Fußball spielen. Geräusche durch den Aufprall des Balles auf die begrenzende Maschendrahtkonstruktion waren in dem Gesamt-Schallleistungspegel enthalten. Als mittlere Zuschauerzahl wurden zehn Personen am westlichen Spielfeldrand angenommen." So klingt es, wenn Gutachter und Juristen ein Fußballspiel simulieren. Ob der kleine Bolzplatz in Reinbek jemals ein solches Match erlebt hat?