Bürgermeister aus dem Kreis Pinneberg fordern vom Innenministerium Einführung von Mindestanforderungen für Verwaltungschefs.

Pinneberg. Sie führen Dienstleistungsunternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern. Sie verwalten einen Millionen schweren Haushaltsetat und müssen eine Stadt mit mehreren tausend Einwohnern nach außen hin repräsentieren. Gearbeitet wird oft auch bis in die Abendstunden und am Wochenende. Keine einfache Aufgabe. Dagegen ist es aber ganz leicht, sich auf das Amt eines hauptamtlichen Bürgermeisters zu bewerben. Wer älter als 27 Jahre ist, die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes vorweist und Unterstützung von Parteien oder Einwohnern vorweist, kann bei der Bürgermeisterwahl mitmischen.

Für Wedels Bürgermeister Niels Schmidt ist das zu wenig. "Nur der Wunsch, Bürgermeister werden zu wollen, kann als Fähigkeit nicht ausreichen", sagt er. Zusammen mit anderen Amtsinhabern im Kreis Pinneberg und Schleswig-Holstein fordert er, festgeschriebene Mindestanforderungen an Kandidaten zu stellen. "Eine gewisse Eignung für den Job wie Führungserfahrung und ein Verständnis für die Abläufe in einer Verwaltung müssen Kandidaten einfach mitbringen", so Schmidt. Auch Kollegin Christiane Küchenhof beobachtet besorgt den Trend bei Bürgermeisterwahlen. "Es gab immer wieder auch Spaßkandidaten", sagt die Schenefelder Rathauschefin. Sie kritisiert: "Das Ansehen des Amtes leidet darunter. Wie sehen Bürger das Amt des Bürgermeister, wenn sich solche Kandidaten aufstellen?" Ihr Wedeler Amtskollege Niels Schmidt ergänzt: "Unsere Befürchtung ist, dass irgendwann alle glauben, Bürgermeister kann jeder. Meine Meinung ist, das kann eben nicht jeder."

Die Vereinigung der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte in Schleswig-Holstein, zu der auch Küchenhof und Schmidt gehören, hat bereits einen bislang ungehörten Appell ans Innenministerium gerichtet. Die Bürgermeister fordern, die früheren Verhältnisse wieder herzustellen. Denn vor knapp zehn Jahren war die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein noch anders. Als Voraussetzung für eine Kandidatur zum hauptamtlichen Bürgermeister stand geschrieben, dass der Bewerber die nötige Eignung, Befähigung und Sachkunde für den Job vorweisen muss. Seitdem diese drei Anforderungen durch eine Änderung aus der Gemeindeordnung heraus sind, sind die Hürden sehr viel niedriger geworden, die Kandidaten vielfältiger. Das wohl schillerndste Bewerber-Beispiel aus dem Kreis Pinneberg ist Andreas Forte. Der damals 30-Jährige sorgte mit seiner Kandidatur deutschlandweit für Schlagzeilen. Mit dem Slogan "Punk ins Amt" warb er 2001 um Stimmen für sich. Der Hauptschulabsolvent, der unter anderem erfolgreich vor Gericht gegen das Elmshorner Trinkverbot in der Innenstadt stritt, wollte Elmhorns Verwaltungschef werden. Auf die Frage, was ihn dazu befähigt, sagte er gern: "Mein Leben ist meine Vorbereitung."

Die Frage, welche Qualifikationen die Bürgermeisterkandidaten in Sachen Verwaltung mitbringen, treibt auch zahlreiche Pinneberger Bürger um, die für den 11. November aufgerufen sind, einen neuen hauptamtlichen Verwaltungschef zu wählen. Während der ersten öffentlichen Vorstellungsrunde in der Rübekamphalle wurden Ole Bues, Urte Steinberg und Meike Oltmanns-Hase aus den Reihen des Publikums gefragt, welche Verwaltungs- und Führungserfahrung sie haben. Die Vierte im Bunde der Kandidaten, Traudchen Perrefort, war ausgenommen. Sie kann von sich sagen, dass sie Verwaltung von der Pike auf gelernt hat. Die heute 59-Jährige hatte zum Auftakt ihrer beruflichen Laufbahn die Bezirksfachklasse für Verwaltungslehrlinge in Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) besucht und dort ihre Verwaltungslehre erfolgreich abgeschlossen. Aktuell ist sie als Fachbereichsleiterin der Stadt Pinneberg Vorgesetzte von annähernd 100 Verwaltungsmitarbeitern.

Mitbewerberin Urte Steinberg hatte nach dem Abitur in Pinneberg eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert. Die heutige Referatsleiterin für Unternehmenskommunikation bei der Sparkasse Südholstein sagt über sich: "Das Thema Verwaltung begleitet mich seit über 20 Jahren." Die 54-Jährige während ihrer Vorstellung: "Sitzungen und Verhandlungen sind für mich Tagesgeschäft." Unmittelbar habe sie die Verantwortung für zehn Mitarbeiter.

Mitbewerberin Meike Oltmanns Hase, 45, ist Juristin. Sie komme aus einem großen und starken Wirtschaftsunternehmen, schreibt die Bürgermeister-Kandidatin auf ihrer Homepage im Internet. Sie habe Mitarbeiter geschult und Verträge verhandelt, so die 45-Jährige, die auf Nachfrage sagte, Personalverantwortung habe sie bis dato kaum gehabt.

Ole Bues ist pharmazeutisch-kaufmännischer Angestellter. Mitarbeiter habe er bislang nicht geführt, so der 30-Jährige auf eine Frage aus dem Publikum. Auch Deborah Nolte, Herausforderin von Linda Hoß-Rickmann in Halstenbek, kann keine Verwaltung oder Führungserfahrung vorweisen.

Wedels Bürgermeister hatte einst ebenfalls Herausforderer, die bei Fachfragen während einer Wahlkampfveranstaltung dann lieber auf Konkurrent Schmidt verwiesen. Er nimmt es mit Humor. "Das ist wenigstens ehrlich und eine wichtige Eigenschaft für diesen Beruf. Bei einer Bürgermeisterwahl sollte aber eine gewisse Ernsthaftigkeit herrschen", sagt Niels Schmidt. Irgendwo, so der Wedeler Bürgermeister, hätte der Spaß eben auch mal ein Ende.