Nur gut die Hälfte der Pinneberger Genossen will Kandidatin Urte Steinberg im Rathaus sehen. Parteichef Herbert Hoffmann wirft nach 26 Jahren hin.

Pinneberg. Die Pinneberger SPD hat eine Bürgermeisterkandidatin, muss dafür jetzt allerdings einen neuen Vorsitzenden suchen. Während einer emotionsgeladenen Mitgliederversammlung am Montagabend, an deren Ende die parteilose Urte Steinberg, 53, mit 30:24 Stimmen zur SPD-Bewerberin für den Bürgermeisterposten bestimmt wurde, kündigte Herbert Hoffmann an, den Vorsitz abzugeben. Der 65 Jahre alte Sozialdemokrat führt den Ortsverein seit fast 26 Jahren. "Das tut im Herzen weh", sagte SPD-Fraktionschefin Angela Traboldt zur Entscheidung Hoffmanns.

In den Reihen der SPD war es zu einem heftigen Richtungsstreit gekommen. Ausgelöst hatte ihn SPD-Politiker Karsten Rahlf, 52. Nachdem sich der Ortsvorstand zusammen mit der Parteispitze der Pinneberger CDU öffentlich für die Sparkassen-Angestellte Urte Steinberg als gemeinsame Bürgermeisterkandidatin ausgesprochen hatte, hatte der Gegenkandidat parteiintern Kritik geübt. Rahlf, der für die Bank UniCredit in Hamburg arbeitet, sagte während der Mitgliederversammlung am Montag: "Ich bin überrascht, dass wir von der SPD uns so wenig zutrauen. Wenn wir keinen Kandidaten aus den eigenen Reihen aufstellen, verabschieden wir uns aus der Politik."

Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung unter den Genossen bereits kräftig aufgeheizt. Zu Beginn hatte der Ortsvorsitzende Hoffmann das Vorgehen der sogenannten Findungskommission verteidigt. "Es gab keine Einwände aus der Partei gegen das Verfahren", so Hoffmann. Ziel sei es gewesen, einen oder eine Kandidatin zu finden, die über ausreichende Qualifikation und Erfahrung verfüge, den Bürger für sich gewinnen und vor allem parteiübergreifend getragen werden könne.

+++ Kommentar: Von Gewinnern und Verlierern +++

Am 11. November wählen die Pinneberger einen neuen Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin. Bestimmt wird, wer die Nachfolge von Kristin Alheit antritt. Die Sozialdemokratin war im Juni für viele Pinneberger sehr überraschend nach Kiel gewechselt, wo sie von Ministerpräsident Torsten Albig zur schleswig-holsteinischen Sozialministerin ernannt worden war.

"Viele vielversprechende Bewerber haben abgesagt", sagte der Ortsvereinsvorsitzende. Der SPD-Vorstand habe sich schließlich einstimmig dafür ausgesprochen, Urte Steinberg vorzuschlagen. "Sie ist die am besten geeignete Kandidatin", so Hoffmann. "Sie hat gute Chancen, die Wähler für sich zu gewinnen und ist offen für SPD-Positionen." Eine Kandidatur von SPD-Mann Rahlf habe die Pinneberger CDU indes nicht mittragen wollen.

Sichtlich bewegt sagte der SPD-Ortschef dann, im Vorwege der Nominierung habe sich eine "Hexenjagd" entwickelt. Aus seiner Sicht seien "zumutbare Grenzen überschritten" worden, sagte Hoffmann. Nach seiner Rücktrittsankündigung breitete sich kurzzeitig regelrechtes Entsetzen aus. "Die Entscheidung trifft uns hart", sagte Fraktionschefin Traboldt. Im Gespräch mit dem Abendblatt legte Hoffmann später nach. Es sei im Vorwege der Mitgliederversammlung mit "bewussten Unwahrheiten" gearbeitet worden. Hoffmann führte aus, dass er sich entschieden habe, den Ortsverband kommissarisch weiterzuführen, um die Kandidatenkür nicht zu torpedieren. Nach Hoffmanns Worten hätten zuvor auch der Zweite Vorsitzende Claus Köster und Markus Ohlmeier, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, ihre Rücktritte aus dem Ortsvorstand erklärt.

Wie es im Ortsverein weitergeht, darüber machte Herbert Hoffmann auch am Dienstag keine näheren Angaben. "Mein Ziel ist zuerst, jetzt den Wahlkampf für Urte Steinberg zu organisieren." Einige Vorstandsmitglieder seien im Urlaub. Die Partei brauche voraussichtlich mindestens sechs Wochen, um die Weichen für einen Neuanfang in Form von Neuwahlen zu stellen.

"Es geht mir jetzt deutlich besser als in den Tagen zuvor. Ich habe seit gestern ganz viel Zuspruch bekommen. Viele fordern mich auf, mir meinen Schritt noch einmal zu überlegen", sagte Herbert Hoffmann am Dienstag.

Eine Entscheidung hat auch Karsten Rahlf getroffen. Nach seiner internen Niederlage werde er nicht als unabhängiger Bewerber antreten. "Es war für mich schon eine Überraschung, dass ich nicht mehr Unterstützung bekommen habe", sagte Rahlf am Dienstag im Gespräch mit dem Abendblatt. Er habe eine Diskussion anstoßen wollen, so Rahlf. "Wenn ein Vorstand zurücktritt, beeinflusst das die Versammlung sehr. Danach ist die Stimmung gekippt", sagte der 52-Jährige, der Urte Steinberg nach seiner Abstimmungsniederlage fair die Hand geschüttelt hat. Ob und wie er in der SPD weitermachen wolle, ließ Rahlf zunächst offen.

Der Banker hatte am Montag in die aufgeheizte Stimmung hinein eine durchaus souveräne Vorstellung hingelegt. Rahlf ging weit mehr als seine Mitbewerberin auf Details ein. Der Finanzexperte kündigte an, als Bürgermeister in spätestens sechs Jahren einen ausgeglichenen Stadtetat vorzulegen. Die Vermögenslage der Stadt sei besser als öffentlich dargestellt. Dies gelte auch für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung. Eine zentrale Aufgabe sei die Gestaltung einer "lebenswerten Innenstadt". Rahlf zeichnete von sich das Bild eines "politischen Bürgermeisters".

Urte Steinberg sagte, sie setze auf ein harmonisches Miteinander. "Ich sehe mich in der Rolle einer Dienstleisterin für den Bürger und für die Politik", sagte die 53-Jährige. "Es muss ein Geist entstehen, dass die Pinneberger wieder stolz auf ihre Stadt sind", sagte Urte Steinberg, die bei der Sparkasse das Referat für Öffentlichkeitsarbeit leitet.

"Ich habe mich riesig gefreut, dass mir nach der CDU auch die SPD den Rücken stärkt", sagte die Parteilose. Zu den Querelen innerhalb der SPD wollte sie keine Stellung beziehen. Am 10. September werde sie sich bei GAL & Unabhängigen vorstellen.

Antreten wird Urte Steinberg bei der Wahl voraussichtlich gegen Traudchen Perrefort, Fachbereichsleiterin im Pinneberger Rathaus, Juristin Meike Oltmanns-Hase aus Pinneberg, Frührentner Alexander Kroh aus der Kreisstadt und Christian Schlesselmann, Kämmerer aus Bremervörde.