Im Rahmen der Aktionen zur interkulturellen Woche stellen wir Migranten vor. Heute: Familie Tokgöz aus Izmir.

Pinneberg. Sinan Tokgöz ist Kurde. Das wurde ihm in seiner Heimat Türkei zum Verhängnis. Mehrere Jahre seines Lebens verbrachte er im Gefängnis. Als ihm sogar der Pass entzogen wurde, konnte er nur noch illegal arbeiten. 2003 hielt er dieses Leben nicht mehr aus und flüchtete nach Deutschland. Erst zwei Jahre später durfte seine Familie, Ehefrau Reyhan und die Söhne Baran und Robin, folgen.

"Ich wollte damals eigentlich nicht aus der Türkei weg", erinnert sich die Ehefrau. Doch heute, vier Jahre später, steht sie in Deutschland mitten im Leben und möchte nie wieder in die alte Heimat zurückkehren.

Schon nach einer Woche in Deutschland hatte Reyhan Tokgöz ihre Meinung geändert. "Ich möchte sofort Deutsch lernen." Bereits nach dem ersten Sprachkursus nahm sie Arbeit an: als Ein-Euro-Kraft im Seniorenheim der Dana in Appen. Sie hatte Glück: In der Einrichtung wurde sie von Beginn an akzeptiert. Und Reyhan Tokgöz entdeckte ein Talent, von dem sie vorher nichts ahnte: Sie kann dank ihres fröhlichen, freundlichen und gefühlvollen Wesens gut mit alten Menschen umgehen.

Um als vollwertige Arbeitskraft angestellt zu werden, musste die junge Frau allerdings noch besser Deutsch lernen. Damit das gut funktioniert, brachte Margit Aschbrenner vom Diakonieverein Migration die Pinnebergerin Marile Schultz (54) mit der Familie in Kontakt.

Die Patenschaft funktionierte. Die Deutsche, die sich vielfältig sozial engagiert, zum Beispiel in der Lokalen Agenda-Gruppe für "Fairen Handel", half bei den Hausaufgaben, begleitete die Familie beim Gang zu Behörden und wurde so zur Freundin. Reyhan Tokgöz bedankte sich mit vielen Einladungen zum Teetrinken und Essen.

Auch mit dem festen Job im Dana-Seniorenheim klappte es: erst als Halbtagskraft in der Pflege, seit 2008 unbefristet für einen Vollzeitjob.

Nun sehnt die Mutter von zwei Jungs, acht und elf Jahre alt, dem kommenden Jahr entgegen. Der Grund ist klar: Wenn Reyhan Tokgöz 24 Monate in Deutschland voll beschäftigt ist, erhält sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Danach möchte sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.

Marile Schultz ist optimistisch, dass ihre junge Freundin das schafft. "Sie ist ehrgeizig und einsatzfreudig", beschreibt die Deutsche ihren "Schützling".

Pfiffig ist Reyhan Tokgöz auch. Als ihre Vorarbeiterin sie das erste Mal losschickte, um ein Handtuch zu holen, war die junge Türkin unsicher, was das ist. Sie schnappte sich Handwaschlappen und Handtuch, zeigte einer Seniorin die beiden Sachen und fragte, wie das heißt.

Viele Kollegen und Bewohner haben die kleine Frau, die ihre Schützlinge gern mal spontan in den Arm nimmt und fest an sich drückt, lieb gewonnen. Sie spüren die Wärme, die ihnen die Frau entgegenbringt.

Wenn nach Arbeit und Familie Zeit übrig bleibt, versucht sie weitere Kontakte aufzubauen. Da ist Reyhan Tokgöz unsicher, und sie spürt die gleiche Unsicherheit auf der anderen Seite. Doch eins steht für die Wahl-Pinnebergerin fest: "Ich bin keine Ausländerin, ich bin ein Mensch!"