Ein Streifzug durch die Wahlnacht: Während die einen feierten, begannen die anderen, ihre Wunden zu lecken.

Norderstedt. 21.30 Uhr im SPD-Podium an der Ulzburger Straße. Landtagskandidat Heiner Köncke (53) und Norderstedts Juso-Vorsitzender Jan Meder (19) stellen Stühle zusammen. Nach einer Wahlparty, die keine war. Ein letzter junger Genosse verabschiedet sich müde, ein alter bringt letzte und aus SPD-Sicht schlechte Ergebnisse aus dem Rathaus und schaut, als sei gerade jemand gestorben. "Ich habe das jetzt zweimal mit dem Landtag versucht. Das war's dann jetzt für mich", sagt Köncke und zündet sich ein Filterlose an. Gekämpft auf den Marktplätzen, keine Gehässigkeit, sondern Zustimmung erlebt, Steinbrück und Tiefensee da gehabt - und dann nur 29,7 Prozent, 12,2 Prozent weniger als 2005, da verlor er gegen Manfred Ritzek. Köncke wirkt ehrlich überrascht, ja geschockt über die Drastik, mit der die SPD und auch er verloren haben. "Ich werde weiter kommunalpolitisch arbeiten und den Ortsverband umbauen", sagt er kämpferisch. Wie die SPD sich ein neues Profil geben kann, das wissen Köncke und Meder auch nicht so konkret. Beide sprechen von der sozialen Kälte, die jetzt einziehen wird im Land. Und sehen das als Chance für die SPD. Es ist etwas nach 22 Uhr, da macht Heiner Köncke als Letzter das Licht aus im Podium.

Kaum ein paar Kilometer weiter südlich an der "Ulze" kann Katja Rathje-Hoffmann gegen 23 Uhr nicht mehr warten und hebt ihr Sektglas: "Ich möchte mit Euch auf eine gute Zeit in Kiel anstoßen", sagt die CDU-Politikerin, die zu dieser Zeit noch immer nur Landtagskandidatin ist. Sie bekommt artigen Applaus von 30 Christdemokraten, die im "Lindenhof" ausharren. Von Euphorie ist wenig zu spüren. Alle 15 Minuten fragt Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) im Norderstedter Rathaus Ergebnisse ab. "1000 Stimmen Vorsprung, das reicht", sagt der Verwaltungschef, die Kandidatin macht sich bereit zum Anstoßen mit den Mitstreitern. Erst um 1.30 Uhr steht fest, Grote hatte Recht. Katja Rathje-Hoffmann (46) setzt sich im Wahlkreis Norderstedt mit 38,6 Prozent durch. Sie fühle sich Norderstedt sehr verbunden und überlege, von Nahe hierher zu ziehen, sagt Rathje-Hoffmann. Sie wolle sich für die Stadt und ihren Wahlkreis in Kiel stark machen. Die hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte des Amtes Itzstedt will sich im Landtag der Sozialpolitik sowie der Bau- und Umweltpolitik widmen. "Die CDU muss mehr für die Frauen tun, da gibt es noch enorm viel Potenzial. Und sich klarer zur Atomenergie positionieren", sagt die neue Landtagsabgeordnete, die heute um 14 Uhr ihre erste Fraktionssitzung in Kiel bestreitet.

Zu den Gewinnern zählen auch die Kandidaten der FDP und der Grünen. Tobias Claßen (24, FDP) bekam 10,3 Prozent der Stimmen, 2,8 Prozent mehr als Vorgänger Uwe Matthes 2005. "Ich bin mit dem Abschneiden zufrieden - und in fünf Jahren im Landtag", sagt Claßen.

Anette Reinders (53, Grüne) sitzt nach 23 Uhr mit ein paar Freunden im "Lancis Drinx" und aktualisiert auf ihrem Laptop laufend die Online-Ergebnisübersicht des Kreiswahlleiters und ist sichtlich glücklich: 12,1 Prozent, doppelt so viele Erststimmen wie 2005 der Parteikollege Jörg Trapp. Anette Reinders: "Der Wahlkampf war schon so positiv, weil ich so viel Sympathie und Unterstützung erlebte. Eine Frau sagte sogar, ich dürfe nicht nach Kiel, denn Norderstedt brauche mich. Das Ergebnis bestätigt all das und motiviert mich unheimlich für die Kommunalarbeit."