Einigung in Berlin am späten Abend. Ministerpräsident will die Entscheidung heute offiziell bekannt geben.

Berlin/Kiel. Für die vorerst letzte Runde im Verhandlungspoker um die milliardenschweren Steuersenkungen überließ die Chefin dem Unionsfraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) das Regiment.

Der war am Nachmittag mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und den Ministerpräsidenten der CDU-regierten Länder zusammengetroffen, um letzte Details des Kompromisses zu verhandeln. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sollte aber vom Klimagipfel in Kopenhagen per Handy zeitweise "zugeschaltet" werden - schließlich ist die heutige Abstimmung im Bundesrat über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht nur die erste große Bewährungsprobe für die Steuerpolitik der Koalition, sondern auch für die Durchsetzungskraft der Regierung Merkel.

Am Abend wurde dann deutlich: Die Bundesrats-Mehrheit steht. Schleswig-Holstein und Sachsen hätten zugestimmt und wollten die Steuerentlastungen in Höhe von jährlich 8,5 Milliarden Euro billigen, hieß es. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte nach dem Treffen: "Wir werden morgen gemeinsam im Bundesrat zustimmen." Offiziell soll dies aber erst heute Morgen verkündet werden.

Das Problem: Die 8,5-Milliarden-Euro-Entlastungen für Familien, Erben, Unternehmen und Hotels sind in ihrer Auswirkung begrenzt. Und sie reißen weitere Löcher in die bereits klammen Haushalte von Ländern und Kommunen - fast vier Milliarden Euro jährlich. Der Bund selbst muss 4,6 Milliarden Euro Ausfälle zusätzlich schultern.

Damit das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit seinen Steuererleichterungen in Milliardenhöhe die Hürde im Bundesrat nimmt, braucht es alle Stimmen der Länder, die von Union und FDP regiert werden.

Insgesamt hat die Länderkammer 69 Stimmen. Für eine Zustimmung zum Gesetz ist eine absolute Mehrheit von 35 Stimmen erforderlich. Die von Union und FDP regierten Länder kommen auf 37 Stimmen. Hamburg wird wegen seiner finanziellen Ausfälle nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung das Gesetz ablehnen. Auf Hamburgs drei schwarz-grüne Stimmen kommt es aber auch nicht an. Auf Schleswig-Holsteins vier Stimmen schon. Kiel hätte das Gesetz mit einer Verweigerung vorerst kippen können. Entsprechend schieden sich an Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) die Geister. CDU und FDP feierten den Landesvater gestern im Landtag noch für seinen Kampf gegen das Berliner Gesetzesvorhaben als Helden "mit Löwenherz". Carstensen hatte bis Ende vergangener Woche gegen die geplanten Steuersenkungen opponiert, nach einem Krisentreffen mit Merkel aber schließlich doch vorsichtig Zustimmungsbereitschaft signalisiert. Die Opposition nannte die bisher erfolgten Zugeständnisse des Bundes im Steuerstreit mager und den Regierungschef einen "Ritter der traurigen Gestalt". Fakt ist: Schleswig-Holstein würde das Gesetz bis zu 130 Millionen Euro jährlich kosten. CDU und FDP gehen davon aus, dass die von der Bundesregierung angebotenen Hilfen, etwa bei der Finanzierung der Bildungsoffensive, die Steuerausfälle ausgleichen. Der Bund will von den geplanten Zusatzausgaben (etwa der BAföG-Erhöhung) 40 statt zehn Prozent übernehmen und die Länder entlasten. Schleswig-Holsteins Beitrag würde so um 100 Millionen Euro im Jahr sinken. Der Haken: Für die Bildungsoffensive müsste das Land immer noch 200 Millionen Euro im Jahr aufbringen und dafür neue Schulden machen. Von der Opposition kam deshalb Hohn und Spott. Carstensen sei von der Kaffeefahrt zur Kanzlerin mit "Kompensationsheizdecken" heimgekehrt, lästerte Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD). "Was Sie für Licht am Ende des Tunnels halten, ist der entgegenkommende Zug."