Viele sehen den neuen Wanderweg für Naturisten als problematisch an. Dennoch lockt die Strecke unbekleidete Wanderer in die Natur.

Undeloh. "Es ist doch ganz natürlich, nackt zu sein", sagt der Wohnmobilfahrer aus dem Münsterland, der den neuen "Naturistenweg" in der Lüneburger Heide ausprobiert. Mit seiner Nacktheit wolle er niemanden provozieren, doch dies sei eben "ein offizieller Weg, da kann sich keiner beschweren".

Das sehen auch die Teilnehmer einer Gruppenwanderung so, sie haben sich über das Internet verabredet und treffen sich auf dem Waldparkplatz zwischen den Orten Wesel und Wehlen, die zur Gemeinde Undeloh gehören. Aus Hamburg und Nienburg sind sie extra angereist, aus Verden, Hildesheim, Celle und sogar aus Schleswig-Holstein. Knapp zehn Männer und eine Frau sind es, die sich auf den Weg machen. Bis auf ihre Schuhe haben sich die Unerschrockenen ihrer Kleidung entledigt. Die Füße bleiben geschützt - wegen der Zecken. Erfahrene Nacktwanderer sind ebenso vertreten wie echte Anfänger, ab 40 sind die meisten, Jüngere sind rar.

Seit wenigen Wochen gibt es den "Naturistenweg" in der Nordheide, er ist nach Angaben der Initiatoren der zweite seiner Art in Deutschland. Bereits 2010 war die erste Nacktwanderstrecke im Harz eröffnet worden. Auf einer 13 Kilometer langen Route darf dort in der Nähe der Wippertalsperre seit zwei Jahren hüllenlos gewandert werden. 16 Kilometer lang ist der neue Wanderweg in der Heide, den die Gemeinde Undeloh offiziell gebilligt hat. Bürgermeister Albert Homann (CDU) war sofort dafür, der Gemeinderat gab im April einstimmig grünes Licht. Der Anstoß war von der privaten "Projektgruppe Naturistenweg Undeloh" gekommen, die nach eigenen Angaben aus drei Personen besteht. Man wolle niemanden belästigen, der Weg könne auch bekleidet genutzt werden, betont die Projektgruppe. Die Resonanz derjenigen, die den Weg bisher nackt erkundet haben, sei positiv.

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Undelohs Bürgermeister Homann findet die Idee gut, "sonst hätte ich da ja auch nicht zugestimmt". Man könne es aber nicht jedem recht machen, so habe es auch schon Beschimpfungen gegeben, und - so habe er gehört: "Alte Leute haben Angst, dass da schlimmer Sex getrieben wird."

Auch bei der Lüneburger Heide GmbH, dem zentralen Vermarkter der Region, ist man skeptisch. Wie Benjamin Roolfs, der Leiter Touristik für den Landkreis Harburg, sagt, fehle die Genehmigung einer Beschilderung durch den Landkreis. Schließlich berühre der Weg auch andere Wanderstrecken wie den neuen Qualitätswanderweg "Heidschnuckenweg". So könne es passieren, dass Nackte und Bekleidete sich unverhofft begegnen: "Da sind ja nicht alle so tolerant." Einerseits begrüße die Lüneburger Heide GmbH jede Initiative, die mehr Gäste in die Region bringe - die Besetzung von Nischenmärkten sei immer willkommen - andererseits sei die jetzige Regelung "problematisch", Roolfs spricht von "Bauchschmerzen". Immerhin hätten Gastgeber aus der Region bereits erklärt, "dass sie das toll finden".

Beim Landkreis ist mit einer Zustimmung zur Beschilderung der aktuellen Trasse nicht zu rechnen, wie Kreissprecher Bernhard Frosdorfer erklärt. Der Nacktwanderweg sei nicht im "überwiegenden öffentlichen Interesse" und verlaufe zudem durch das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide. Frosdorfer: "Der Landkreis hat nicht generell etwas dagegen, aber außerhalb des Naturschutzgebietes wäre das besser."

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Der FKK-Fan aus dem Münsterland ist dennoch begeistert. Er möchte nicht namentlich genannt werden, doch dass ihm die Idee gefällt, nackt durch Wald und Heide zu wandern, daraus macht er keinen Hehl. Auf dem Weg zum Strandurlaub an der Ostsee will er einige Tage bleiben, hat sich über das Internet auch mit Gleichgesinnten hier verabredet. Kaum mit dem Wohnmobil angekommen, wird der Weg ausprobiert. Der Mann, der sonst am Baggersee, beim FKK-Camping oder am Strand seinem Hobby nachgeht, ist von seiner ersten Nacktwanderung sehr angetan: Der Weg durch die Landschaft sei sehr schön, "ganz toll" sei das ungewöhnliche Erlebnis.

"Auch wir sind ein Teil der Natur", erklärt er - deshalb sollte es seiner Ansicht nach mehr Stellen geben, wo Menschen sich ganz offiziell hüllenlos durch die Natur bewegen dürfen. Immer bekleidet sein zu müssen, das sei ein gesellschaftlicher Zwang. Da ist er schon lieber hüllenlos unterwegs. Dass andere Anstoß an der Nacktheit nehmen, sei nicht verständlich. Schließlich seien die Menschen "nicht angezogen auf die Welt gekommen".

Namen werden nicht gern genannt, man möchte anonym bleiben. Ein FKK-Wanderer, der von der Weser hergekommen ist, sagt: "Man möchte doch nicht, dass das bekannt wird." Er begründet das mit Angst vor Konsequenzen am Arbeitsplatz, aber auch vor den Reaktionen im privaten Umfeld, bei Nachbarn oder im Freundeskreis. Ein Hobby wie jedes andere scheint das Nacktwandern also nicht zu sein.

Regelmäßig verschwinden die Hinweise am Waldparkplatz, der der Ausgangspunkt des Weges ist. Sabotage, vermuten die Wanderer. Nicht alle in der Umgebung seien ihnen wohl gesonnen, vermuten einige. Obwohl der "Naturistenweg" inzwischen bekannt sein dürfte, sei er beim Nacktwandern schon übel beschimpft worden, sagt ein Mann. Ein Radfahrer, der ihm begegnete, habe sogar die Polizei rufen wollen. Doch anderen ist es schlicht egal, wie dieser Frau aus einem Nachbarort, die - wie viele in der Nordheide - die Sache ganz unaufgeregt sieht: "Meinetwegen sollen sie laufen, wo sie wollen."