Wahlkampf-Affäre, Gorleben, eine Agrarministerin unter Beschuss: David McAllister wird von Problemen fast erdrückt.

Hannover/Wolfsburg. David McAllister dürfte für diese Auszeit dankbar sein: Am Montag bricht der 39 Jahre alte Ministerpräsident von Niedersachsen zu einer Delegationsreise nach Indien auf. Endlich eine Gelegenheit, gute Nachrichten zu produzieren - als Alternative zu den andauernden Schlagzeilen über die mögliche verbotene Wahlkampfhilfe der Wolfsburger Stadtwerke für die Niedersachsen-CDU. In dieser Angelegenheit dreht sich alles um die Jahre 2002/2003, in denen McAllister Generalsekretär der Landespartei war, deren Vorsitzender er jetzt ist.

Kern der Geschichte ist die Selbstbezichtigung des fristlos entlassenen Pressesprechers der Stadtwerke Maik Nahrstedt, er habe im Landtagswahlkampf damals mehr für die CDU auf Landesebene als für die Stadtwerke gearbeitet, die Stadtwerke seien auch für Kosten der Landespartei aufgekommen. Eingefädelt hat das alles laut Nahrstedt der damalige Stadtwerke-Aufsichtsrat und heutige Vorstand Markus Karp. Der war damals Wahlkampfleiter der Niedersachsen-CDU.

Was McAllister zu denken geben dürfte: Der Stadtwerke-Aufsichtsrat hat am Freitag angekündigt, man wolle die Entlassung von Karp erreichen, auch den zweiten Vorstand beurlauben. Und ebenfalls am Freitag hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigt, dass sie jetzt nicht nur gegen Nahrstedt und Karp wegen Verdachts der Untreue ermittelt, sondern auch gegen den Wolfsburger CDU-Oberbürgermeister Rolf Schnellecke wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Auch Schnelleckes Wahlkampf hat Karp organisiert.

Dass Nahrstedt an Karps Seite intensiver in den Landtagswahlkampf 2002/2003 eingebunden war, als die Landespartei dies bislang in einem Verteidigungspapier behauptet hat, belegen mehrere Dokumente mit freundlich gehaltenen, regelrechten Arbeitsaufträgen von führenden CDU-Köpfen wie Olaf Glaeseker, damals Sprecher und Vertrauter von CDU-Landeschef Christian Wulff, heute sein Sprecher im Bundespräsidialamt.

McAllister will, obwohl Generalsekretär, Nahrstedt damals nur "ab und an" gesehen haben: "Eine tragende Rolle hat er im Wahlkampf nicht gespielt." Am Freitag hat McAllister einen ganzen Katalog von Fragen der Grünen-Fraktion beantwortet, dabei aber weitgehend nur auf ein Verteidigungspapier der CDU verwiesen. Bis auf eine Einschränkung, die sich liest, als wolle er sich für den Fall weiterer schlechter Neuigkeiten eine Hintertür offenhalten: "In diesem Bericht wird der gesamte Sachverhalt dargestellt und werden viele geäußerte Behauptungen umfassend widerlegt." Das lässt Raum. Der "Mitteldeutschen Zeitung" sagte er: "Wir haben nichts zu verbergen."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, bohrte nach: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass David McAllister als damaliger Generalsekretär nichts von den Vorgängen gewusst hat."

Delegationsreisen mit Wirtschaftsvertretern wie jetzt nach Indien haben ein volles Programm, McAllister aber wird trotzdem versuchen müssen, sich noch mit weiteren Problemen zu befassen. Vor allem ist da die Frage, ob er die noch von seinem Vorgänger im Frühjahr berufene Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen im Amt halten kann. Immer wieder flimmern neue Aufnahmen von tierquälerischer Haltung von Puten über die Bildschirme, aus Ställen, deren Inhaber gesellschaftsrechtlich verflochten sind mit der Putenbrüterei Ahlhorn, die der Familie Grotelüschen gehört.

Hinzu kommt der wachsende Protest gegen Atomanlagen in Niedersachsen - die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke ist Wasser auf die Mühlen der Gegner eines Endlagers Gorleben für hoch radioaktiven Atommüll. Und dann ist da noch die leidige Frage einer Schulstrukturreform, die die Landesregierung bis Jahresende vom Tisch haben will. Dann nämlich sind drei von fünf Jahren Legislaturperiode um, und es gilt, sich für den Machterhalt zu positionieren. Sein Vorgänger Christian Wulff hat McAllister konsequent als Nachfolger aufgebaut, aber er hat ihm auch kein leichtes Erbe hinterlassen.