Tische, Schubladen und Regale - Künstler Tom Thiel und das Designtrio Balhorn² & Bremer geben Ausgedientem einen neuen Gebrauchswert.

Barfuß öffnet Tom Thiel die Tür zu seinem Atelier und damit zu seiner Welt: Der weitläufige helle Raum ist ein Sammelsurium an Farben und Möbeln, Gegenständen und Büchern, Gerüchen und Eindrücken. Der Künstler in verwaschenem Pullover schlurft über den bunten Webteppich und weist auf die Werkbank am Ende des Raums: "Hier arbeite ich!" Säge und Bleistift, weißer Leim, mehrere Schraubzwingen verteilen sich auf der Arbeitsfläche. An der Wand stapeln sich Holzbretter und -stücke jeder Art, Länge und Dicke.

Seit 17 Jahren verarbeitet der studierte Künstler und Architekt nun in seinem Atelier in Hamburg-Hammerbrook den robusten und vielfältigen Rohstoff zu kleinen und großen Kunstwerken mit Nutzcharakter. Dass er dabei fast immer auf Holz zurückgreift, das schon einmal verarbeitet wurde und Gebrauchsspuren aufzeigt, ist dabei fundamental für seine Arbeit. "Die Makel erzählen eine Geschichte, die ich fortsetzen will, indem ich dem Holz einen neuen Gebrauchswert gebe", sagt der kreative Hamburger. "Gelebtes Holz" (www.gelebtesholz.de) ist daher der Name seiner Geschäftsidee.

Herumgesprochen hat sie sich bereits. In einzelnen Geschäften wie Roomservice in Eppendorf oder Fa.clic im Stilwerk in Altona lassen sich seine Nistkästen, Tische und Regale bestaunen und erwerben. Durchaus möglich ist aber auch der Besuch seines Ateliers. Hier kommen sogar die meisten Käufe zustande - wenn die Menschen die Möbel anfassen können und das Konzept verstehen lernen. "Vom Studenten bis zum gut Betuchten aus Blankenese ist alles dabei. Manch einer bringt sogar sein Holz mit", sagt Tom Thiel. Viele Kunden seien jedoch überrascht von der Vielfalt der Möglichkeiten. Denn eher zufällig entdeckt der Künstler seine Schätze auf der Straße - sei es auf einer Baustelle, in einem Bootshaus oder nach dem Hinweis eines Freundes. "Mir fällt immer die Kinnlade herunter, dass die Leute die Augen nicht aufmachen!", bemerkt Thiel. Später bringt er seine Schätze dann in die Werkstatt.

In Irland stöberte er hingegen in den Ruinen eines Schlosses und baute aus seinen Fundstücken das Bett für ein irisches Hochzeitspaar. Auch sein zuletzt gefertigter Tisch hat eine vielschichtige Vergangenheit. Seine mosaikartige Oberfläche entstand durch ein Zusammenspiel aus tropischen und heimischen Holzarten. Den Preis in Höhe von beeindruckenden 7008,50 Euro rechtfertigt der Künstler mit dem hohen Aufwand. "Bevor ich das Holz verarbeiten konnte, musste ich zunächst Nägel entfernen, das Holz reinigen, wieder trocknen, dann schleifen. Das kostet viel Zeit. Danach erst beginnt die Kunst. Daher lassen sich auch die Preise nur schwer im Voraus ermitteln. Denn je größer die Vielfalt an Holzstücken, je detailreicher die Arbeit, desto teurer wird am Ende auch das Ergebnis", sagt Thiel. Die Einzigartigkeit ist dem Möbelstück dann jedoch sicher. Und wenn der Meister zu werken beginnt, zieht er auch Schuhe an - Holzpantoffeln.

Das gleiche Material - eine andere Welt. Cremeweiße Konstruktionen setzen die kleinen Wandregale in warmen Tönen kontrastreich in Szene. Aus alten Schubladenelementen schafft das Designertrio Balhorn² & Bremer neue Stücke mit Charakter, die im Rahmen der Reihe Passé Composé entstehen (www.passe-compose.de). Sie waren zeitweilig in der Eppendorfer Galerie Lehmweg 33 ausgestellt. Jahrelang sammelten sich in dem Keller der Restauratorin Andrea Balhorn diese Einzelstücke. Von Kunden vergessen oder auf dem Flohmarkt entdeckt, unterlagen sie dem Sammelwahn ihrer Besitzerin. Bis diese sich gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Tischler Ronald Balhorn, sowie dessen ehemaligem Lehrling Frank Bremer dazu entschloss, den Schubkästen ein neues Zuhause zu geben. Haben die drei einen Entwurf für eine Schublade entwickelt, muss sie oft noch zugeschnitten werden. "In ihrer ursprünglichen Länge ist sie meist zu tief für ein Regal", sagt Frank Bremer. Dann bauen die Tischler einen Rahmen aus MDF - einer mitteldichten Faserplatte. Die aus Holzfasern und Leim gepresste Platte ist in alle Richtungen leicht anpassbar. Sie ermöglicht ein Spiel mit Farben und Oberflächen und tritt in den Hintergrund. "Der Kontrast", betont Balhorn, "ist uns sehr wichtig!" Und im Vordergrund stehe der Schubkasten. Wie bei den Möbelstücken des Künstlers Tom Thiel ist auch hier der Aufwand sehr hoch. "Es gibt ja keine automatisierten Prozesse", sagt Balhorn. Jedes Stück sei anders. Reizvoll an antiken Schubladen ist für die Designer das Holz, mit dem sie es zu tun haben. Viele Hölzer stünden mittlerweile auf dem Index. Sie sind geschützt und daher nicht mehr im Handel erhältlich. Ebenso wichtig ist jedoch die Oberfläche der Möbel.

Der Tischler bekräftigt: "Die Patina muss immer bleiben!" Denn sie erzähle mit ihren Spuren von der Geschichte des Schubkastens und setze sie in einen Kontrast zu dem unberührten Rahmen. Passé Composé - eine zusammengefügte Vergangenheit. Die Einzelstücke sind ab 420 Euro in der Werkstatt der Restauratorin Andrea Balhorn erhältlich.

Doch das Repertoire an Schubladen ist noch längst nicht ausgeschöpft. "Es gibt so viele schöne Stücke in absolut hässlichen Kommoden", lacht Bremer. Und das Spielfeld sei riesig. Mit dem Konzept der sogenannten Seitenschübe, einer Lösung für Räume mit wenig Platz, hätten sie erst eine von vielen möglichen Ideen umgesetzt.

Langfristig soll die kreative Arbeit noch mehr in den Fokus rücken. Die Augen des Tischlers leuchten, als er sagt: "Es ist toll, sich nicht mehr nur mit Spanplatten zu beschäftigen!"

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