Für Segler gelten strengere Vorschriften. Der WWF appelliert an Reedereien, freiwillig mehr zu tun als verlangt.

Während jedes Segelboot über 11,5 Meter Länge auf der Ostsee die Fäkalien der Bordtoilette in einem Tank sammeln und im Hafen entsorgen muss, leiten Passagierschiffe die Klospülungen ihrer Kundschaft meist unzureichend geklärt ins Meer ein, kritisiert die Umweltstiftung WWF. "Jährlich werden 80 Millionen Menschen über die Ostsee befördert", sagt Jochen Lamp vom WWF-Büro in Stralsund. "Dabei gelangen aus Fähren und Kreuzfahrtschiffen knapp 340 Tonnen Stickstoff und fast 40 Tonnen Phosphor in die Ostsee." Sie vergrößerten die Nährstoffbelastung und damit das größte Umweltproblem des Meeres, warnt Lamp.

Bereits im vergangenen Jahr appellierten die Umweltschützer an die Reedereien, sich freiwillig beim Umgang mit dem Abwasser an WWF-Standards zu halten. Lamp: "Unser Ziel ist es, dass die Fäkalien so gut geklärt werden, wie dies kleinen Gemeinden an Land vorgeschrieben wird. Technisch ist das machbar. Die Kreuzfahrtschiffe verfügen zwar meist über Kläranlagen, aber die reichen nicht aus. Wenn auf den Schiffen der Platz für eine Nachrüstung fehlt oder die zusätzliche Last zu groß wird, dann müssen die Schiffe eben an Land, also in den Häfen, entsorgen."

Bestehende Angebote, etwa am hochmodernen Kreuzfahrtterminal in Kiel, würden nicht genutzt, so Lamp. "Zwei Liegeplätze verfügen über einen Direktanschluss an eine Kläranlage. Im Jahr 2007 liefen 114-mal Kreuzfahrtschiffe Kiel an. Kein einziges Mal wurde von dem Entsorgungsangebot Gebrauch gemacht", kritisiert der Ostsee-Experte. Das bestätigt Ulf Jahnke, Sprecher der Seehafen Kiel GmbH.

An zu hohen Gebühren könne es nicht liegen, so Jahnke. Kiel verlange deutlich unter fünf Euro pro entsorgten Kubikmeter Abwasser. Damit liegt die Fördestadt deutlich unter den Preisen von Riga (Lettland, 7-12 Euro/m{+3}) oder Gdynia (Polen, 10-23 Euro/m{+3}). "Einige Fähren, etwa die Linie nach Göteburg, nutzen unser Angebot regelmäßig", ergänzt Jahnke.

Immerhin drei der 20 angesprochenen Kreuzfahrtgesellschaften sicherten dem WWF zu, dass ihre Schiffe - oder zumindest ein Teil der Flotte - die WWF-Standards einhalten werden: Peter Deilmann, Hurtigrouten und Aida Cruises. Der große Rest orientiert sich lieber an den Vorschriften der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO. Sie erlaubt sogar das Einleiten von völlig ungeklärten Abwässern, allerdings mit einem Mindestabstand von zwölf Seemeilen (gut 22 Kilometer) vom nächstgelegenen Land. Werden die Fäkalien zerkleinert und desinfiziert, reduziert sich der Mindestabstand auf vier Seemeilen (7,4 km).

"Es gibt keine Handels- oder Passagierschiffe, die überhaupt keine Kläranlage haben", betont Holger Steinbock, Referatsleiter bei der See-Berufsgenossenschaft (See-BG), die diese Anlagen für Schiffe unter deutscher Flagge zertifiziert. Er hält das Abwasserproblem generell für gering, schränkt aber ein, dass es bei den Einleitungen keine Grenzwerte für Stickstoff und Phosphor gibt.

Viele Schiffe verfügten über Dreikammer-Kläranlagen, so Steinbock, die das Abwasser zunächst per Filter und Absetzbecken von Feststoffen befreien, in einem Belebtschlammbecken bakteriologisch behandeln und anschließend desinfizieren. Die zurückgehaltenen Feststoffe werden gepresst, getrocknet und in einer speziellen Anlage - wie auch der an Bord anfallende Müll - verbrannt. Vom Jahr 2010 an gebe es verschärfte Prüfvorschriften für Kläranlagen in Schiffsneubauten, betont der Technikexperte von der See-BG. Die älteren Anlagen auf heutigen Schiffen genössen jedoch Bestandsschutz.

Neben den strengeren technischen Auflagen für Neubauten wollen die Ostseeanrainer gemeinsam bei der IMO darauf hinwirken, dass auch die bestehenden Einleitungsregeln verschärft werden. Eigene Anforderungen für die Ostsee lehnen die Anrainer aus Wettbewerbsgründen allerdings ab. Stattdessen setzen sie in ihrem Aktionsplan Ostsee auf freiwillige Maßnahmen der Reedereien und wollen ab 2009 zusammen mit der IMO neue verbindliche Regeln ausarbeiten.

Bis dahin bleibt es den Reedereien der Fähren und Kreuzfahrtschiffe überlassen, das unappetitliche Problem anzupacken. Zwar gelangten die weitaus meisten Nährstoffe aus diffusen Quellen in die Ostsee, betont auch WWF-Experte Lamp. Dennoch lohne sich ein Blick auf die Schiffsabwässer. Denn sie sind punktuelle Quellen, die vergleichsweise leicht verschlossen werden könnten. Mit Blick auf das florierende Kreuzfahrtgeschäft sagt er: "Hier ist eine Branche betroffen, die sich diesen Umweltbeitrag leisten kann."