Es gibt unübersichtlich viele Anbieter in diesem Kompensationsgeschäft. Aber nicht allen ist auch zu trauen.

Die Ferienzeit naht und mit ihr der Urlaubsverkehr. Also ab in den Flieger oder ins Auto zum (weit) entfernten Sonnenziel. In Zeiten des Klimawandels drängt sich ein Gedanke auf: Ist der Kohlendioxid-Ausstoß, den die An- und Abreise verursacht, noch vertretbar? Wer trotz Bedenken nicht in seiner Heimatregion urlauben will, dem bietet sich eine (zweitbeste) Alternative: die Kompensation des Klimaschadens durch Einzahlungen in ein Klimaschutzprojekt, wodurch dann genauso viel CO2 eingespart wird, wie das Reisen verursacht. Anbieter von solchen freiwilligen Kompensationen sprießen derzeit überall wie Pilze aus dem Boden.

Doch nicht allen ist zu trauen. Und ein "CO2-freies" Fliegen oder Autofahren gibt es auch mit Kompensation nicht. Bestenfalls wird das freigesetzte CO2 an anderer Stelle wieder eingespart.

Die erste Adresse für CO2-Ausgleich beim Fliegen ist in Deutschland die gemeinnützige Organisation Atmosfair in Berlin. "Wir sind seit 2006 um den Faktor sechs gewachsen", sagt Atmosfair-Geschäftsführer Dieter Brockhagen. Er leitete 2004 das Forschungsprojekt des Bundesumweltministeriums "klimabewusst fliegen", aus dem 2005 Atmosfair hervorging. Dennoch sei der CO2-Ausgleich noch längst kein Massenphänomen. Brockhagen: "England ist uns drei, vier Jahre voraus; der Rest der EU noch im Dornröschenschlaf."

Für reumütige Flugpassagiere ist es nicht einfach, seriöse von unseriösen Angeboten zu trennen. Das zeigt sich schon an den unterschiedlichen Berechnungen des zu zahlenden Betrags für den Ausgleich. Der Hin- und Rückflug nach London ist über Atmosfair für elf Euro wiedergutzumachen. Die Organisation berechnet 23 Euro pro emittierte Tonne CO2 (im Beispiel 440 Kilogramm) und damit den realen Preis des Projekts, um eine Tonne Kohlendioxid zu vermeiden. Hinzu kommen 50 Cent als Spende für ein deutsches Projekt, und schließlich wird die Gesamtsumme aufgerundet. Derselbe Ausgleich ist beim Billigfluganbieter Easyjet zum Wohlfühlpreis von 1,97 Euro zu haben. Die Erklärung: Während Atmosfair für Flugstrecken oberhalb von 9000 Metern richtigerweise den Ausstoß mal drei multipliziert, um den größeren Klimaeffekt von Höhenflügen abzubilden, betrachtet Easyjet nur den konkreten Treibstoff-Verbrauch. Zudem fördert der Billigflieger ein Wasserkraftprojekt in Ecuador, das das CO2 preiswerter einsparen kann als die zehn Atmosfair-Projekte.

Das schlechte Gewissen beim Fliegen und Autofahren nutzt das Anlageunternehmen Lignum sogar zur Investorensuche: Ein wohlsituierter Zwei-Personen-Haushalt, dessen Mitglieder im Jahr einmal nach London und einmal nach Teneriffa fliegen und dazu 15 000 Kilometer Auto fahren, kann seine Klimasünden durch eine Kapitalanlage in Edelholz-Pflanzungen ausgleichen - in Höhe von satten 200 000 Euro.

Wem das Kapital fehlt, um in Bäume zu investieren, die das CO2 aus der Atmosphäre binden, findet Kompensations-Anbieter, die ihrerseits in Waldprojekte investieren. Dies sehen Umweltschützer allerdings kritisch. "Wenn eine aufgeforstete Fläche abbrennt, ist der Klimaeffekt gleich null", argumentiert die Umweltstiftung WWF. "Zudem besteht die Gefahr, dass Urwälder abgeholzt werden und die Flächen anschließend mit Eukalyptusplantagen oder anderen standortfremden Bäumen ,aufgeforstet' werden."

Unter Federführung des WWF haben Umweltverbände einen internationalen "Gold Standard" für Kompensationsprojekte entwickelt, er gilt als weltweit strengster Maßstab. Walderhaltung, Aufforstung und Wiederaufforstung sind ausgeschlossen, weil für solche Projekte bislang die Kriterien fehlen.

Der WWF betont, die Entwicklung eines "Green Standard" für waldbezogene Projekte sei überfällig. Denn selbst Projekte, bei denen sich zum Beispiel Holzkonzerne verpflichten, bestimmte Waldgebiete dauerhaft zu erhalten, können ins Auge gehen, wenn sie nicht gleichzeitig ihren Holzbedarf reduzieren.

Ansonsten würde die Verpflichtung nur bedeuten, dass an anderer Stelle umso intensiver eingeschlagen wird.

Dietrich Brockhagen ist skeptisch, dass es in absehbarer Zukunft möglich sein wird, Waldprojekte glaubhaft in den CO2-Ausgleich einbeziehen zu können: "Das Ökosystem Wald ist viel zu komplex, um genau errechnen zu können, wie viel - und ob überhaupt - Kohlendioxid eingespart wird. So setzt zum Beispiel eine Bodenbearbeitung vor der Pflanzung Kohlendioxid frei."

Seit Verabschiedung des Kyotoprotokolls im Jahr 1997 diskutierten Wissenschaftler über Bilanzierungsvorschläge zum Klimaeffekt von Wäldern, so Dietrich Brockhagen. Bislang gebe es aber noch keine anerkannte Methodik, ihn zu berechnen. Der beste Klimaschutz-Beitrag sei immer noch, auf Bus, Bahn oder Fahrrad umzusteigen, betont Michael Gehrmann, Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland. Wer das bislang noch nicht ausprobiert hat, kann sich damit womöglich ganz neue, spannende Urlaubserlebnisse erschließen.