Krisentreffen in Alaska um die Zukunft des Grönlandwals. Er ist wohl das langlebigste Säugetier der Welt.

Der Grönlandwal könnte kommende Woche bei der Tagung der Internationalen Walfangkommission IWC das "Zünglein an der Waage sein" - ein "Zünglein", das bis zu 100 Tonnen schwer wird und dessen Zunge bis zu fünf Meter lang ist. "Wir gehen davon aus, dass es zwischen Japan und den USA zu einem Kuhhandel um den Abschuss von Zwerg- und Grönlandwalen kommt", sagt Dr. Petra Deimer, die als deutsches Delegationsmitglied gerade von einer vorbereitenden Tagung des wissenschaftlichen Ausschusses der IWC vom Konferenzort Anchorage (Alaska) zurückgekehrt ist.

Mit dem Grönlandwal steht eine ganz besondere Art im Rampenlicht: Er könnte das langlebigste Säugetier der Welt sein. In den 1990er-Jahren untersuchte der Wildbiologe Craig George in Alaska im Auftrag der IWC Grönlandwale, die im Rahmen des - legalen - Eingeborenen-Walfangs getötet worden waren. Er fand in das Fleisch eingewachsene Steinharpunen, die nach dem Eintreffen der Europäer in der Arktis um das Jahr 1860 kaum noch verwendet wurden. Es lag also nahe, dass die Tiere vor diesem Datum durch die Geschosse verletzt wurden, also deutlich älter als 100 Jahre waren.

Eine andere Untersuchungsmethode vom Wissenschaftlerteam um Jeffrey Bada in Kalifornien förderte zuvor bereits ähnliche Hinweise zutage: Die Kollegen nahmen die Altersbestimmungen in den 1980er-Jahren vor und analysierten dazu 48 Augäpfel. Sie ermittelten unter anderem für fünf männliche Tiere ein Alter von 91, 135, 159, 172 und sagenhaften 211 Jahren.

Derzeit sind jährlich 67 Grönlandwale im Rahmen des Eingeborenen-Walfangs zum Abschuss freigegeben. Sie dürfen vom Volk der Inuit im Gastgeber-Bundesstaat Alaska und den ostrussischen Chukotka gejagt werden. Diese Quote wird jeweils für fünf Jahre vergeben und läuft in diesem Jahr aus. Die USA hat nun eine Verlängerung der Quote beantragt - Teil eins des Kuhhandels.

Die Hamburger Walexpertin Deimer hat gegen diesen Teil wenig einzuwenden: "Alaska hat die Bestände und die Folgen dieses Walfangs präzise untersucht. Er wird nachhaltig betrieben, die Grönlandwalbestände wachsen sogar, wenn auch sehr langsam." Der Walfang sei nicht kommerziell und diene ausschließlich der Eigenversorgung der indigenen (eingeborenen) Bevölkerung.

Teil zwei sehen Walschützer dagegen kritisch: Japan will eine Abschussquote für Zwergwale im Rahmen des "traditionellen Küstenwalfangs" erhalten. "Wir fürchten, dass Japan nur dann dem Antrag aus den USA zustimmen wird, wenn es im Gegenzug eine Küstenwalfang-Quote erhält", sagt Nicolas Entrup, Geschäftsführer der Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS. "Dabei jagen die japanischen Küstenfangschiffe bereits heute 60 Zwergwale im Rahmen des sogenannten wissenschaftlichen Walfangs. Eine zusätzliche Fangquote würde die Abschüsse weiter erhöhen." Zudem öffne ein nicht weiter definierter "traditioneller Walfang" das Tor zur kommerziellen Jagd.

Problematisch sei auch die grönländische Jagd auf Zwerg- und Finnwale, so Entrup: "Sobald die Crew und der Bootsbesitzer ihre Anteile bekommen haben, wird der Rest des Tieres an eine staatliche Firma verkauft, die es gefriert, verpackt und anschließend vermarktet, auch über Supermärkte." Dabei spiele Dänemark eine unrühmliche Rolle, urteilt Petra Deimer, seit Jahrzehnten Wissenschaftlerin der IWC. "Grönland und die Färöer haben Dänemark fester in der Hand denn je. Es befürwortet nicht nur den Walfang auf seinen Territorien, sondern unterstützt allgemein das Lager der Walfangnationen."

Dennoch mehrten sich vor der Konferenz die Anzeichen, dass dieses Lager in diesem Jahr auf weniger Länder zählen können wird als bei der Vorjahres-Konferenz auf der Karibik-Insel St. Kitts. Damals gab es eine Mehrheit für eine Deklaration, die sich dafür ausspricht, die Wale zu "bewirtschaften" - das heißt mehr oder weniger kontrolliert kommerziell zu bejagen.

Doch selbst wenn das Pendel in diesem Jahr wieder zurück Richtung Walfanggegner ausschlagen sollte, bleibe noch ein langer Weg bis zum Walschutz, betont Deimer: "Norwegische und japanische Walfänger erlegten 2006 fast 1900 Tiere. Aber noch mehr Wale starben als Beifang in Fischernetzen. Dies ist ein Riesenproblem, das die IWC endlich anpacken muss. Zudem wachsen die Probleme durch den Schiffsverkehr, der immer schneller und dichter wird. Sein Einfluss soll jetzt näher untersucht werden."

Die Wale sind also längst nicht über dem Berg. Auch nicht die Grönlandwale, die Methusalems der Säugetierwelt.