Entwicklungspolitik: Klaus Töpfer übernimmt Lehrauftrag in Shanghai. Der ehemalige Chef des Uno-Umweltprogramms wird in Hamburgs Partnerstadt Erfahrungen aus Deutschland weitergeben, wie man effektiv mit den Ressourcen eines Landes umgeht.

Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger deutscher Umweltminister, schied im Frühjahr aus dem Amt als Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep). Zum 1. Juli hat er an der Elite-Universität Tongji in Shanghai einen Lehrstuhl für nachhaltige Entwicklung übernommen. Das Hamburger Abendblatt sprach mit ihm über die Rolle Chinas in der globalen Umweltpolitik und über seine zukünftige Arbeit.

ABENDBLATT: Herr Töpfer, Sie werden kommende Woche Ihren Lehrauftrag an der Tongji-Universität in Shanghai beginnen. Wie wird der konkret aussehen?

KLAUS TÖPFER: Die Universität ist sehr renommiert. Ich habe für sie schon als Unep-Chef eine intensive Zusammenarbeit zwischen Unep und Tongji entwickelt. Ich habe mich gefreut, als man mich gefragt hat, ob ich dort über die bisherigen Tätigkeiten hinaus weiterarbeiten wolle, um mit jungen Menschen Fragen der Entwicklung und die daran gebundenen Umweltfolgen zu erörtern und zu studieren. Ich werde pro Jahr zwei Monate in Shanghai sein, wahrscheinlich in jeweils zweiwöchigen Blockvorlesungen, in denen ich auch Doktoranden betreuen und wissenschaftlich arbeiten werde.

ABENDBLATT: Wie lautet der Titel Ihrer ersten Vorlesung?

TÖPFER: Das Thema, das besonders erwünscht ist, ist die Kreislaufwirtschaft, also die Fragen: Wie können wir durch das Schließen von Kreisläufen, also Energie, Rohstoffe, Wasser etc. einsparen? Wie können wir diese Ressourcen effizienter nutzen? Im Vordergrund steht dabei die Nutzung von Wasser und Böden, denn beides ist in dem Land ein Engpaßfaktor für zukünftige Entwicklung. Kreislaufwirtschaft heißt auch, beim Verursacher anzusetzen und nicht nur hinterher die Folgen zu korrigieren. Das gilt natürlich auch für die dramatische Luftbelastung der Städte. Diesen Ansatz der Kreislaufwirtschaft haben wir in Deutschland sehr gut entwickelt, er wird jetzt weltweit die Grundlage jeder umwelt- und entwicklungspolitischen Konzeption.

ABENDBLATT: Welche Rolle spielt China im globalen Umweltschutz?

TÖPFER: China ist ein Land mit mindestens 1,3 Milliarden Einwohnern; das sind gut 15mal mehr, als Deutschland hat.

Das chinesische Bruttosozialprodukt wächst jährlich um mindestens neun Prozent. Das Land ist mit Armutsproblemen konfrontiert, besonders im ländlichen Raum. Es wird das Wachstum zur Armutsbekämpfung weiter forcieren. Die Stabilität der globalen Umwelt ist mit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und Indiens bereits heute und in der Zukunft noch mehr untrennbar verbunden.

ABENDBLATT: Welches Gewicht hat die Tatsache, daß die Presse- und Meinungsfreiheit in China stark eingeschränkt ist, beim Ziel, den Umweltschutz voranzubringen?

TÖPFER: Die Arbeit an den Universitäten trägt dazu bei, daß die Situation nüchtern und offen analysiert und diskutiert wird, um daraus Lösungen zu finden. Doch eine langanhaltende stabile Aufwärtsentwicklung wird auch mit Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit verbunden sein.

ABENDBLATT: Fehlt nicht der Druck der Umweltverbände?

TÖPFER: Es muß aus eigener Einsicht klar werden, daß das Mitwirken breiter Bevölkerungskreise die Ergebnisse wirtschaftlicher Entwicklung entscheidend verbessert. Wir müssen wieder und wieder belegen, daß eine offene Gesellschaft die Voraussetzung für wirtschaftliche, soziale und ökologische Stabilität ist.

ABENDBLATT: In Shanghai werden Sie auch an der Planung der Weltausstellung 2010 "Stadt der Zukunft" mitwirken. Wie müßte eine solche Stadt aussehen?

TÖPFER: Es gibt keine Paradestadt, aber gute Beispiele für Teilbereiche. In Curitiba, Brasilien, hat man ein sehr effizientes öffentliches Nahverkehrssystem mit höchst zuverlässigen Buslinien entwickelt. Dies führte zu Entlastungen beim privaten Autoverkehr, die auf den Straßen sichtbar sind. Oder das Projekt "Newater" in Singapur: Der Stadtstaat war bei der Wasserversorgung fast komplett von Malaysia abhängig. Jetzt wird das Abwasser technologisch so gut aufbereitet, daß es problemlos als Trinkwasser dienen kann.

Wir müssen die Slums in der ganzen Welt zurückführen, die heute noch rasant wachsen. Und die Umweltlasten der Städte, deren Bevölkerung um fünf und mehr Prozent pro Jahr ansteigt, dürfen nicht auf das umgebende Land abgewälzt werden.

ABENDBLATT: Sie werden im Jahr zwei Monate in China sein. Was machen Sie in der übrigen Zeit?

TÖPFER: Ich werde Vorträge halten und auch im deutschen universitären Bereich Beiträge leisten. Zudem steht ein Buchprojekt an - es gibt so viele Erwartungen an mich, daß ich eine Bürohilfe engagiert habe, um einigermaßen den Kopf über Wasser zu behalten. Deutschland ist mein Hauptsitz, aber ich werde auch des öfteren in die USA reisen. Es gibt weitere Verpflichtungen innerhalb Europas, und mein Draht nach Afrika ist nach wie vor sehr, sehr eng.

ABENDBLATT: Kürzlich sagten Sie, Sie wollten sich in Deutschland an der gesellschaftspolitischen Diskussion beteiligen. Mit welchen Inhalten?

TÖPFER: Ich möchte die Erfahrungen, die ich bei den Vereinten Nationen gemacht habe, in die gesellschaftliche Diskussion einbringen bei der Frage etwa, wie werden wir Globalisierung auch innerhalb Deutschlands zu gestalten haben. Dies ist nicht in erster Linie eine parteipolitische Frage, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit, der man geradezu verpflichtet ist, nachzugehen.

ABENDBLATT: Heißt das, Sie wollen die Sicht über den deutschen Tellerrand hinweg schärfen?

TÖPFER: Wir müssen uns klarmachen, daß unser Wohlstand im hohem Maße mitsubventioniert wird, indem wir Umweltkosten auf andere Länder und auf kommende Generationen abwälzen. Das wird immer deutlicher, und diejenigen, die von den Lasten betroffen sind, wollen dies immer weniger. Nachhaltige Entwicklung ist nicht nur karitativ und unsere ethische Verpflichtung, sondern eine Investition in eine friedliche Welt. Auch in Deutschland haben wir Bürger aus allen Ländern der Welt - wie gehen wir mit dieser Vielfalt um, so daß daraus nicht Instabilität, sondern eine wachsende Stabilität gewonnen wird?

ABENDBLATT: Sie lebten acht Jahre lang in Kenias Hauptstadt Nairobi. Hat dies bei Ihnen Spuren hinterlassen?

TÖPFER: Aber ganz sicher. Ich bin in knapp drei Monate wieder zurück. Es wird mir immer deutlicher, daß ich völlig andere Blicke auf die Probleme dieser Welt habe.

ABENDBLATT: Wenn Sie für ein Jahr ein neues nationales oder internationales Amt übernehmen könnten, welches würden Sie wählen?

TÖPFER: Ich hatte das Glück, acht Jahre ein wichtiges Amt ausfüllen zu dürfen. Ich frage mich nicht, was ich demnächst noch für Ämter übernehmen kann, sondern, was ich tun kann, um aus diesen Erfahrungen die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen.