Meeresnaturschutz: Erstmals Gebiete in 200-Meilen-Zone ausgewiesen. Die EU will ihr Netz der geschützten Lebensräume auf das Meer ausdehnen. Deutschland macht es vor. Allerdings sind viele Nutzungen weiterhin erlaubt.

Als erstes EU-Mitglied hat Deutschland Gesetzesgrundlagen für Meeresschutzgebiete außerhalb der 12-Meilen-Hoheitsgewässer geschaffen: für das gut 315 500 Hektar große Gebiet "Östliche Deutsche Bucht" westlich der Insel Sylt und für die knapp 201 000 Hektar große "Pommersche Bucht" östlich der Insel Rügen. Die beiden Schutzgebiete hatte das Bundesumweltministerium (BMU) im Mai 2004 als EU-Vogelschutzgebiete nach Brüssel gemeldet. Die Verordnungen zu den Gebieten legen nun konkrete Regeln für die Meereszonen fest.

Weder hauptamtliche oder Freizeitkapitäne noch Fischer müssen befürchten, künftig einen großen Bogen um die Schutzflächen in Nord- und Ostsee machen zu müssen. "Die Fischerei ist EU-weit geregelt. Deshalb können wir hier keine nationalen Vorschriften erlassen", sagt Jochen Flasbarth, Abteilungsleiter Naturschutz im Bundesumweltministerium. Es sei denkbar, daß der EU-Fischereirat Meeresgebiete beispielsweise für bestimmte Fangtechniken sperrt. Dies sei bereits bei den Darwin Mounds, dem weltgrößten Kaltwasserkorallenriff nordwestlich von Schottland, geschehen. Dazu müssen negative Folgen durch die Fischerei auf die jeweiligen Schutzgüter - bei den deutschen Gebieten sind es Seevögel - nachgewiesen sein. Flasbarth: "Derzeit läuft eine Untersuchung über mögliche Beeinträchtigungen der Vogelwelt durch die Fischerei in den beiden deutschen Gebieten."

Auch andere Berufsschiffe werden weiterhin die Regionen durchqueren können. Denn die internationale Schiffahrt unterliegt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der IMO (International Maritime Organisation) und nicht dem Zugriff einzelner Staaten. Die IMO könnte zum Beispiel beschließen, eine Schiffahrtsroute zu verlegen, um die Natur in einem Gebiet zu schützen. Eine Alternative wären freiwillige Vereinbarungen, zum Beispiel mit Reedereien, die Fährlinien betreiben.

Bislang sei eine solche Vereinbarung nur mit den Sportfischern zustande gekommen, so Flasbarth. Angesichts der beschränkten Regelungsmöglichkeiten bei der Berufsschiffahrt mache es wenig Sinn, Verbote für den Freizeit-Bootsverkehr auszusprechen - deshalb die freiwillige Vereinbarung.

Andere Meeresnutzungen sind in den Schutzgebieten tabu oder nur eingeschränkt möglich. Das Ablagern von Baggergut sowie Aquakulturen zur Aufzucht von Fischen oder Meeresfrüchten sind absolut verboten. Die Energieerzeugung (Windparks, Strömungskraftwerke o. ä.), das Suchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen (Beispiel: Sand- und Kiesabbau) sowie das Verlegen von Rohrleitungen oder Kabeln müssen speziell genehmigt werden. Dazu ist für jede Maßnahme eine Verträglichkeitsprüfung nötig, wie sie auch für EU-Schutzgebiete an Land gilt. Danach darf die Maßnahme nur ergriffen werden, wenn es dazu keine Alternativen gibt und sie im öffentlichen Interesse steht.

Verschiedene Vogelarten sollen von den Restriktionen profitieren. Dazu gehören die kormoranähnlichen Stern- und Prachttaucher aus der Arktis sowie die grazilen Fluß-, Brand- und Küstenseeschwalben. Sie überwintern, mausern, rasten in den Meeresgebieten oder suchen dort bevorzugt nach Nahrung. Auch für die regelmäßig erscheinenden Gäste unter den Zugvögeln, wie Sturm- und Heringsmöwe, Trottellumme und Tordalk, sollen die Gebiete geschützt werden.

Während Meeresschutzgebiete in der 12-Meilen-Zone in Deutschland Ländersache sind, weist das Bundesnaturschutzgesetz von 2002 die Verantwortung für die (200-Meilen-)Wirtschaftszone dem Bund zu. "Deutschland war 2004 das erste EU-Mitglied, das potentielle Gebiete nach Brüssel gemeldet hatte. Und es ist nun das erste Land, das entsprechende nationale Gesetze und damit Planungssicherheit für mögliche Nutzer geschaffen hat", betont Jochen Flasbarth. Inzwischen seien aber auch alle anderen EU-Staaten dabei, marine Schutzgebiete auszuweisen und so das grüne Netz "Natura 2000" aus geschützten Landlebensräumen durch blaue Refugien vor den Küsten zu vergrößern.

Informationen im Internet: www.bmu.de, Stichworte: Meeresumweltschutz/Meeresnaturschutz