In Stuttgart und München wurden erstmals die neuen EU-Grenzwerte für Schwebeteilchen überschritten. Was bedeutet das?

Was sind Feinstäube? "Unter Feinstäuben verstehen wir superkleine Schwebeteilchen, die unterschiedlichste Formen haben können. Sie eint, daß ihre Größe geringer als zehn Mikrometer ist - also ein Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares", erläutert Dr. Wolf-Dieter Garber, Experte des Umweltbundesamtes in Berlin. Die Größe dieser vielgestaltigen Teilchen, die Menschen weder sehen, riechen noch auf der Haut spüren können, wird mit Sinkversuchen bestimmt. "Sinkt ein Partikel langsamer zu Boden als ein kugelförmiges Teilchen, das einen Durchmesser von zehn Mikrometer hat, gilt es als Feinstaub. Die Partikel werden also nach ihrem aerodynamischen Durchmesser erfaßt", sagt der Fachmann.

Wo entstehen Feinstäube? Die unsichtbaren Kleinstpartikel sprudeln aus vielen Quellen. Zu diesen zählen Autoabgase, der Abrieb von Reifen und Straßenbelägen, das Aufwirbeln von Straßenstaub durch Wind, das Verbrennen von Gartenabfällen, von Holz oder Kohle zum Heizen oder auch die Schlote von Industrieanlagen. "Bundesweit betrachtet entstehen etwa 40 Prozent der Feinstäube bei Industrieprozessen, etwa ein Drittel erzeugen Lkw und Pkw, die mit Dieselkraftstoff fahren. Der Rest stammt aus unterschiedlichen Verbrennungsprozessen", sagt Dr. Wolf-Dieter Garber. Sie erhöhen die natürliche Belastung mit Feinstäuben, die durch Bodenerosion oder die Verarbeitung von Getreide hervorgerufen wird.

Warum gefährden Feinstäube die Gesundheit? "Wir atmen diese Stäube ein, dadurch können bei hohen Belastungen die Atemwege erkranken, Herz und Kreislauf geschädigt werden", sagt Dr. Nobert Englert, Mediziner am Umweltbundesamt. Auf Grund ihrer Winzigkeit dringen die Schwebeteilchen tief in die Lunge ein. Entzündungen der Nasennebenhöhlen, Bronchitis und andere Atemwegserkrankungen können die Folge sein. Eventuell wird auch das Lungenwachstum bei Kindern beeinträchtigt.

"Die ganz kleinen Teilchen wandern über die Lungenbläschen sogar in die Blutbahn", sagt Dr. Norbert Englert. "Das kann zu entzündlichen Veränderungen führen, dadurch wird das Blut zähflüssiger. Deshalb muß das Herz mehr leisten, um das Blut durch den Körper zu pumpen. Das ist vermutlich eine der Ursachen, warum bei einer hohen Feinstaubbelastung vergleichsweise mehr Menschen sterben."

Nach einer EU-Studie sterben in Deutschland jährlich 65 000 Menschen infolge dieser Umweltbelastung. "Wissenschaftlich gesichert kann man nur sagen, daß die Feinstäube bei hohen Belastungen die Lebenserwartung verkürzen. Eine dauerhafte Erhöhung der Feinstaubkonzentration um zehn Mikrogramm pro Kubikmeter verringert die Lebenserwartung um etwa sechs Monate", sagt der Mediziner. Nach Schätzungen der EU verringert sich die durchschnittliche Lebenserwartung sogar um neun Monate. Ob Feinstäube, wie immer wieder vermutet, auch Lungenkrebs auslösen, sei noch nicht eindeutig geklärt, so Dr. Englert.

Wie werden Feinstäube gemessen? Neben den Grenzwerten regelt die EU-Richtlinie, die 1999 verabschiedet wurde, auch die genaue Lage und Mindestzahl der Probenentnahmestellen. Insgesamt 368 Meßstellen in Deutschland sammeln rund um die Uhr Feinstaub; in Hamburg sind es zehn. Die Richtlinie schreibt vor, daß der Meßeinlaß in einer Höhe zwischen 1,50 und vier Metern liegen muß. Die Meßstation muß dabei so aufgebaut werden, daß sie in verkehrsreichen Gebieten die Luftqualität in einem repräsentativen Bereich erfaßt. "Ein Teil der Meßstationen sendet alle 30 Minuten Ergebnisse an Computer bei den zuständigen Behörden. So ist sichergestellt, daß die Öffentlichkeit zügig über Veränderungen informiert werden kann. Bei einem anderen Teil der Sammelstellen entnehmen Fachleute Proben regelmäßig, wiegen und bewerten sie", erläutert Dr. Wolf-Dieter Garber vom Umweltbundesamt.

Wann muß gehandelt werden? Es gibt zwei Grenzwerte: Nur 35mal im Jahr darf der tägliche Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an einer Station überschritten werden. Zudem darf der Jahresmittelwert einer Meßstelle nicht mehr als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betragen. Sonst müssen die Behörden handeln. So gab es in Italien bereits im Februar in neun Städten ein Fahrverbot. "Allerdings schreibt die EU-Richtlinie nicht vor, was zu geschehen hat. Sie fordert lediglich, daß es einen Aktionsplan geben muß, der die Belastung senkt", betont Dr. Wolf-Dieter Garber. Diese Pläne, die die Bundesländer entwickeln, müssen weder mit Berlin abgestimmt, noch an die EU übermittelt werden. In Hamburg werde gegenwärtig ein Plan erarbeitet, so Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde.

In Stuttgart und München wurden die Grenzwerte schon zu oft überschritten. Warum nicht in Hamburg? "Hamburg hat den Vorteil, daß atlantische Tiefdruckgebiete Kurs auf die Stadt nehmen und mit kräftigen Westwinden für frische Luft sorgen", sagt Günter Delfs, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes in Hamburg.

Doch der Blick ins Internet zeigt: Auch in Hamburg wurden - wie an rund 335 Meßstationen in Deutschland - die Grenzwerte überschritten. An neun Tagen traten zu hohe Konzentrationen von Feinstäuben an der Sternschanze und der Stresemannstraße auf, an acht Tagen in Billstedt, der Habichtstraße und auf der Veddel, an sieben Tagen in Bergedorf, am Tatenberg und in Wilhelmsburg, an sechs Tagen in Billbrook und vier Tagen auf Finkenwerder West.

Was tun gegen Feinstäube? "Der Einbau von Rußfiltern in Dieselfahrzeuge und von Feinstaubfiltern in Industrieanlagen wird die Belastung senken", sagt Dr. Wolf-Dieter Garber. Es gibt bereits Neufahrzeuge, die Rußfilter serienmäßig enthalten. Wer zudem mit dem richtigen Reifendruck fährt, verringert den Abrieb. Straßenbeläge, die den Belastungen besser standhalten, werden seit längerem getestet. Noch ist keine Lösung in Sicht.

In der Debatte über gefährlichen Feinstaub wird allerdings oft übersehen, daß nach einer Studie des Mailänder Krebsforschungsinstituts eine Zigarette soviel Feinstaub an die Umwelt abgibt wie ein Dieselfahrzeug in 100 Minuten.

Meßdaten im Internet : www.env-it.de/luftdaten/start.fwd www.umweltbundesamt.de