Die Kraftwerkstechnik steht. Aber die Betreiber fordern Geld und ein Gesetz. Das will der Umweltminister vorlegen.

Ein ambitionierter Klimaschutz ist ohne CCS-Technologie nicht möglich. Diese Überzeugung vertritt Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, und mit ihm viele Umweltexperten, -politiker und Vertreter der Energiewirtschaft. CCS steht für Carbon Capture and Storage, für das Abtrennen und Einlagern von Kohlendioxid, das in (Kohle-)- Kraftwerken oder Industrieprozessen anfällt. "Bei der Entwicklung der CCS-Technologie haben unsere Ingenieure bereits große Schritte getan. Jetzt brauchen wir passende Rahmenbedingungen, um die Technik einzusetzen und weiterzuentwickeln", so Reinhardt Hasse vom Energiekonzern Vattenfall.

Die Energieversorger vermissen einen verbindlichen Rechtsrahmen, um in die Technologie investieren zu können, die ihren Kohlekraftwerken eine Zukunft verschaffen soll. Denn ohne Abtrennung des Treibhausgases CO2 könnten Kohlemeiler zu den Sargnägeln des Weltklimas werden. Gleichzeitig wird, so zeigen zahlreiche Studien, der Strombedarf der kommenden Jahrzehnte global und in Deutschland nicht ohne den Energieträger Kohle zu decken sein. Der einzige technische Ausweg aus diesem Dilemma, der heute zumindest absehbar ist, heißt CCS.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte in Berlin die CO2-Abtrennung und -Lagerung "eine der weltweit wichtigsten Technologien der kommenden Jahre". Er versprach, noch in dieser Legislaturperiode ein CCS-Gesetz zu verabschieden; den Gesetzentwurf wolle er am 18. Februar dem Kabinett vorlegen. Aber er warnte auch vor einer "Endlagerdiskussion, wie wir sie beim Atommüll haben", selbst wenn die jeweiligen Risiken überhaupt nicht vergleichbar seien. Gabriel appellierte kürzlich auf einer Fachtagung in Berlin an die Energieversorger: "Wir müssen die Akzeptanz in der Bevölkerung sichern und alle denkbaren Gefahren dieser Technologie ausschließen, zum Beispiel die Frage der Langzeitsicherheit der Lagerstätten klären."

Die projektierten Speicher seien sicher, so Tore Torp vom norwegischen Unternehmen StatoilHydro, das seit 1996 in das bereits ausgebeutete Sleipner-Erdgasfeld in der nördlichen Nordsee jährlich eine Million Tonnen CO2 hineinpumpt. Die Technik, mit CO2-Injektionen die Ausbeute von Öl- und Gasfeldern zu erhöhen, funktioniere seit Jahrzehnten, betont auch der Vattenfall-Konzern. Allein in den USA seien inzwischen mehr als 500 Millionen Tonnen CO2 verpresst worden.

Das weltweit größte Speicherpotenzial sehen Experten in Salinen-Formationen (Salzwasser führende Sandsteinschichten). Sie befinden sich auch im norddeutschen Untergrund. Insgesamt schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die nutzbare Speicherkapazität in Deutschland auf etwa 20 Milliarden Tonnen CO2, mit einer Unsicherheit von plus/minus acht Milliarden Tonnen. Zum Vergleich: Deutsche Kraftwerke produzieren jährlich etwa 360 Millionen Tonnen CO2.

Mit der Speichersicherheit eng verbunden sei die Frage, wer für mögliche Schäden durch Leckagen haftet und wie lange eine solche Haftung Bestand haben soll, so Umweltminister Gabriel. "Die Haftungsfrage werden wir allerdings nicht in dieser Legislaturperiode klären können."

Eine ebenfalls brisante Frage lautet: Wer kommt für die Investitionen in die Zukunftstechnik auf? Denn neben der Abtrennung an den Kraftwerken und der Vorbereitung von Lagerstätten wird ein Pipelinenetz benötigt, das später die vielen Millionen Tonnen verflüssigtes CO2 vom Entstehungsort zum Endlager transportiert. "Der Bund sollte sich aktiv am Bau von Transport- und Speichereinrichtungen beteiligen", fordert Dr. Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender vom Energiekonzern RWE. Und setzt noch einen drauf: "Den Aufbau der CO2-Infrastruktur betrachte ich als eine Kern- und Pflichtaufgabe des Staates." Wie selbstverständlich forderte er auch staatliche Förderungen für zukünftige CCS-Kraftwerke, etwa für das RWE-Pilotprojekt eines 450-Megawatt-Kraftwerks in Hürth, das Braunkohle mit integrierter Kohlevergasung und CO2-Abtrennung verfeuern soll.

Sigmar Gabriel zeigte angesichts der Milliarden-Gewinne, die die Stromkonzerne bislang durch den Emissionshandel realisierten, nur bedingt Verständnis für den Ruf nach dem Staat: "Pipelines und Lager zu bauen kann nicht alleinige Aufgabe des Staates sein, sondern auch der Unternehmen." Zudem bereite der Emissionshandel der CCS-Technologie den Weg, weil er die Vermeidung von Kohlendioxidemissionen finanziell belohnt.

Klimaforscher Schellnhuber denkt bereits weiter: "Wenn wir das internationale Klimaziel, die Erwärmung in diesem Jahrhundert auf zwei Grad zu begrenzen, erreichen wollen, dann brauchen wir mittelfristig sogar Negativ-Emissionen, also Techniken, die der Atmosphäre CO2 entziehen." Seine Vision: Die Kraftwerke der Zukunft könnten mit Bioenergien betrieben werden, bei deren Verbrennung nur etwa so viel CO2 frei wird, wie die eingesetzten Pflanzen zuvor aus der Atmosphäre gebunden hatten. In den Kraftwerken wird das CO2 abgetrennt, eingelagert und langfristig der Atmosphäre entzogen.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Im November 2008 hat die EU ein Programm vorgestellt, mit dem sie den Bau von zehn bis zwölf großen Demonstrationsanlagen mit bis zu zwölf Milliarden Euro fördern will. Das - ehrgeizige - Ziel lautet: die CCS-Technologie zum Jahr 2020 kommerziell nutzbar zu machen.