"Ein großes Thema auf dem Kongress ist die Debatte über die Frage, wie eine optimale Versorgung von Krebspatienten garantiert werden kann", berichtet Prof. Carsten Bokemeyer im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Ärztliche Leiter des Onkologischen Zentrums des Uniklinikums Eppendorf (UKE) weilt gegenwärtig auf dem Krebskongress in Berlin. Mehr als 7500 Ärzte und Wissenschaftler informieren sich noch bis zum Sonnabend auf dem größten Krebskongress im deutschsprachigen Raum über neueste Erkenntnisse bei der Vermeidung, Früherkennung, Behandlung und Nachsorge von Tumorerkrankungen.

Noch immer sei in Deutschland keine flächendeckende onkologische Versorgung auf höchstem Niveau gewährleistet, wurde auf dem Kongress beklagt. "Damit für jeden Patienten auch die beste Therapie aus der Gesamtschau ermittelt werden kann, sei es notwenig, spezialisierte klinische Krebszentren zu etablieren, in denen unterschiedliche Disziplinen zusammenarbeiten", sagt Bokemeyer.

Diese Zusammenarbeit optimiert nicht nur die Diagnose von Krebs. Auch auf die Therapie hat sie positive Wirkung. So wurden auf dem Kongress, auf dem auch die neuen offiziellen Leitlinien zur Behandlung von Krebs veröffentlicht wurden, veränderte Behandlungsschemata bei Magenkrebs vorgestellt. "Die Heilungsrate, die mit dieser Therapie erzielt wird, liegt bis 15 Prozent höher als früher", so Bokemeyer. Während früher meist nur operiert wurde, wird jetzt bei Magenkrebs im fortgeschrittenen Stadium dazu geraten, erst eine Chemotherapie zu machen, dann zu operieren und nach dem Eingriff die Chemotherapie fortzusetzen.

Neue Behandlungskonzepte gibt es auch für Patienten, die an Tumoren im Halsbereich leiden. "Es konnten bei der Strahlentherapie schonendere Strategien entwickelt werden, die mit gleicher Effektivität den Krebs bekämpfen. In manchen Fällen kann die Wirkung der Strahlentherapie zudem durch die Gabe einer Chemo- oder Antikörpertherapie noch erhöht werden", berichtet Bokemeyer und fügt hinzu, dass auch neue Auslöser für diese Tumoren entdeckt worden seien. "Klassischerweise gelten Alkohol und Rauchen als Ursache für diese Tumore, inzwischen weiß man aber, dass bis zu einem Drittel durch die Infektion mit Papillomaviren ausgelöst werden." Noch hat diese Erkenntnis keine neue Therapiestrategie zur Folge - im Unterschied zum Kampf gegen den Gebärmutterhalskrebs. Gegen diesen Tumor, den Papillomaviren auslösen, gibt es zwei Impfungen. "Auf dem Kongress gibt es zwei Lager: Die einen finden, dass diese Impfung zu früh zugelassen wurde, zu wenig über mögliche Nebenwirkungen bekannt sei, die anderen halten den Schritt für unbedingt erforderlich, da gezeigt war, dass die Impfung schützt", berichtet der Onkologe.

Es ist nicht das einzige Thema aus der gynäkologischen Onkologie, das auf dem Kongress umstritten ist. Auch das Mammografie-Screening, das von diesem Jahr an Frauen zwischen 50 und 69 Jahren in Deutschland flächendeckend und kostenlos angeboten wird, steht in der Kritik. "Auf Unverständnis stößt", so Bokemeyer, dass dieses Angebot nur gilt, bis die Frauen 69 Jahre alt sind. Diese Altersbegrenzung wird infrage gestellt, "denn das höhere Risiko älterer Frauen, an Brustkrebs zu erkranken, wird nicht ausreichend berücksichtigt". Ob und wie das geändert werden kann, wird weiter diskutiert.