Verhindert eine spezielle Ernährung gefährliche Gelenkentzündungen? Wann muss bei Rheuma operiert werden? Und warum sind schon Kinder betroffen? Experten beantworten die wichtigsten Fragen.

Welche Fortschritte gibt es in der Therapie rheumatischer Erkrankungen?

Es gibt große Fortschritte, vor allen Dingen in der Frühphase von rheumatischen Erkrankungen. Wir können in den Frühphasen von Rheuma heutzutage das dauerhafte Auftreten von Krankheitssymptomen vermeiden. Wenn jemand bereits ein chronisches Rheuma hat, geht es in erster Linie darum, die Symptome möglichst nebenwirkungsarm zu behandeln. Da sind wir noch auf der Suche nach besseren Behandlungsmöglichkeiten, was die Medikamente angeht.

Prof. Jürgen Wollenhaupt, Chefarzt der Abteilung Rheumatologie und Immunologie, Klinikum Eilbek

Gibt es Frühwarnzeichen?

Bei entzündlichem Rheuma gibt es Frühwarnzeichen: Schwellungen in den Gelenken, oft mit Rötung und Überwärmung. Schmerzen sind immer ein Frühwarnzeichen. Dann stimmt etwas nicht, und man sollte schnell zum Arzt gehen, um sich gründlich untersuchen und abklären zu lassen, ob Entzündungswerte im Blut erhöht sind.

Christel Kalesse, Rheumaliga Hamburg

Welche Rolle spielt Cortison in der Behandlung?

Cortison ist ein gutes Mittel, wenn man es gezielt und bewusst einsetzt, sozusagen die Feuerwehr unter den antientzündlichen Medikamenten. Es kann innerhalb weniger Tage die ausgeprägten Schmerzen und die Entzündung unterdrücken. Die Kunst des Arztes besteht darin, die Dosis so zu wählen, dass die Krankheit unterdrückt ist, ohne dass Nebenwirkungen auftreten.

Dr. Wolfgang Winter, Leitender Oberarzt der Abteiulung für Rheumatologie und Immunologie, Klinikum Eilbek

Cortison-Nebenwirkungen: Welche sind häufig?

Am meisten gefürchtet wird von Patienten eine Gewichtszunahme, meistens bedingt durch eine Appetitsteigerung, aber auch durch eine moderate Wassereinlagerung. Mittelfristig gibt es Nebenwirkungen am Knochen: Der Kalziumstoffwechsel der Knochen wird negativ beeinflusst, es kann eine Osteoporose entstehen. Mittelfristig können auch ein erhöhter Blutdruck und eine verstärkte Empfindlichkeit der Haut auftreten.

Dr. Winter

Was ist eine Fibromyalgie und wie wird sie behandelt?

Die Fibromyalgie ist eine nicht entzündliche Erkrankung, die sich wahrscheinlich über lange Zeit unterschwellig entwickelt. Die Schmerzforschung zeigt, dass Patienten mit einer Fibromyalgie über lange Zeit an der einen oder anderen Stelle Schmerzen hatten. Diese Schmerzen haben sich in das Schmerzgedächtnis eingegraben. Wenn dann ein anderer Schmerzreiz hinzukommt, kann sich dieser Schmerz auf den ganzen Körper ausdehnen und es entsteht ein chronischer Ganzkörperschmerz an Sehnen und Sehnenansätzen. Es handelt sich um ein Krankheitsbild, das man nur interdisziplinär angehen kann, mit Physiotherapie und Ergotherapie und Medikamenten. Wichtig ist auch die Psychosomatik. Chronische Schmerzen machen oft depressiv. Manchmal kann eine Depression auch am Anfang einer Fibromyalgie stehen. Deshalb gehören im Behandlungskonzept der Fibromyalgie Körper und Geist zusammen.

Prof. Wollenhaupt

Worauf kommt es in der Physiotherapie bei Fibromyalgie besonders an?

Patienten mit Fibromyalgie haben sehr häufig Muskelverspannungen und Muskeldysbalancen, so dass eine Muskelgruppe stärker ist als die andere. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Patienten die Möglichkeit haben, sich zu entspannen. Das kann mithilfe von physikalischer Therapie geschehen oder in der Physiotherapie mit Feldenkrais, damit man seinen Körper kennenlernt, besser wahrnehmen und Bewegungen nachempfinden kann.

Sylvia Freese, Leiterin der Physiotherapie, Klinikum Eilbek

Wann muss operiert werden?`

In der Rheumachirurgie geht es zunächst darum, vorbeugend zu arbeiten: Wenn ein Patient mit Medikamenten gut eingestellt ist, aber die Therapie an einigen Gelenken nicht greift, sollte man überlegen, ob man die entzündete Gelenkinnenhaut operativ entfernt. Das kann man sehr gut mit einer Arthroskopie, einer Gelenkspiegelung. Es schützt langfristig vor weiterem Gelenkverschleiß. Wir Rheumaorthopäden sehen oft Patienten erst, wenn sich bereits eine Verschleißsymptomatik entwickelt haben. Da muss man dann mit dem Patienten entscheiden, wann ein Gelenkersatz nötig wird. Hüft- und Kniegelenke, aber auch andere Gelenke wie Ellenbogen, Sprung- und Schultergelenk können durch Endoprothesen ersetzt werden. Voraussetzung ist, dass die nichtoperative Therapie ausgereizt ist und trotzdem noch Beschwerden auftreten.

Dr. Jan-Haucke Jens; Chefarzt des Zentrums für Endoprothetik, Klinikum Eilbek

In welchem Alter tritt Rheuma bei Kindern auf?

Die häufigste Form, das klassische kindliche Rheuma, bei dem weniger als fünf Gelenke betroffen sind, tritt meist im ersten und zweiten Lebensjahr auf; Erkrankungen, die sich in Richtung Bechterew entwickeln, ab dem sechsten Lebensjahr. Auch Patienten mit Fibromyalgie sehen wir zunehmend im Kindesalter.

Dr. Ivan Foeldvari, niedergelassener Kinder- und Jugendrheumatologe, Klinikum Eilbek

Ist das erblich?

Für alle rheumatischen Erkrankungen gibt es eine erbliche Veranlagung. Vererbung ist wahrscheinlich nur ein Teil. Es ist immer eine Zusammensetzung von vielen einzelnen Faktoren, die zum Ausbruch der Erkrankung führen.

Dr. Foeldvari

Warum ist Bewegung wichtig?

Weil für den von Rheuma Betroffenen gerade die erste Bewegung, zum Beispiel am Morgen, sehr schmerzhaft ist. Bewegung bessert die Schmerzhaftigkeit der Gelenke und erhält die Funktion. Man soll sich nicht schonen, denn gerade die Bewegung der Gelenke erhält die Leistungsfähigkeit der Muskulatur, der Sehnenansätze und die Muskelkraft. Rheumapatienten können bis zu einer gewissen Belastungsgrenze, die sie selbst spüren, aktiv sein und Sport treiben. Hervorragend geeignet ist das Walken, weil alle Gelenke gut durchbewegt werden.

Prof. Wollenhaupt

Welche Rolle spielt Ernährung bei Rheuma?

Man kann Rheuma nicht verhindern, indem man auf sein Steak verzichtet. Die rheumatischen Erkrankungen haben mit der Ernährung wenig zu tun. Aber wenn man entzündliches Gelenkrheuma hat, kann man durch angemessene Ernährung Schmerzen reduzieren und den Bedarf an Schmerzmitteln senken. Man könnte von der mediterranen Ernährung als Rheumadiät sprechen: wenig Fleisch, viel Fisch, Oliven- und andere Pflanzenöle verwenden, wenig Salz, kalzium- und vitaminreiche Ernährung.

Prof. Wollenhaupt

Was ist bei der Ernährung von rheumakranken Kindern zu beachten?

Es ist sicherlich sinnvoll, mediterrane Diät auch bei Kindern durchzuführen. Ein wichtiger Punkt dabei: Kinder müssen eine ausgeglichene Diät bekommen - vielleicht ein wenig mehr Fleisch als Erwachsene -, weil sie wachsen müssen. Man sollte nichts weglassen. Kinder dürfen auch Süßigkeiten essen. Es ist nicht bewiesen, dass sie dadurch mehr Krankheitsschübe bekommen.

Dr. Foeldvari

Was ist die optimale Rheumadiagnostik?

Das fängt mit der Untersuchung der schmerzenden Gelenke an. Leitsymptom von Rheuma ist die Gelenkschwellung. Das zweite ist die Untersuchung des Blutes auf Entzündungswerte, also eine Blutsenkung, und auf den Rheumafaktor. Erhärtet sich dabei der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung, sollte der Spezialist zum Zuge kommen. Er veranlasst weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Ultraschall , Röntgen- und Kernspinaufnahmen sowie eventuell aufwendige Spezialuntersuchungen, um der Ursache der rheumatischen Erkrankung auf die Spur zu kommen.

Prof. Wollenhaupt

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Osteoporose und Rheuma?

Ja, über zwei Wege. Zum einen setzen wir Medikamente ein - das Cortison - die eine Osteoporose verursachen können. Aber auch die Entzündung selbst kann über Entzündungsbotenstoffe am Knochen eine Kalksalzverarmung, also eine Osteoporose hervorrufen.

Dr. Winter