Die Fehlbelastung der Halsmuskulatur durch Arbeit am PC und viel Fernsehen ist neben dem Rauchen und dem Alter der wichtigste Risikofaktor für degenerative Veränderungen, die an Wirbelkörpern oder Bandscheiben auftreten können. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch zu Lähmungen führen. Aber es gibt Hilfe.

Der Griff in den schmerzenden Nacken - ein fast schon typisches Phänomen unserer heutigen Zeit. Denn die Arbeit am Computer oder das Fernsehen sind feste Bestandteile unseres Alltags. Dementsprechend stärker werden auch unsere Nackenmuskeln beansprucht, die Gefahr von Fehlhaltungen wächst.

"Die ständige Belastung durch Schreibtisch- und Computerarbeit kann Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule beschleunigen", warnt Privatdozent Dr. Luca Papavero, Chefarzt des Zentrums für Spinale Chirurgie am Klinikum Eilbek. Die Fehlbelastung der Halsmuskulatur ist neben dem Rauchen und dem Alter der wichtigste Risikofaktor für solche degenerativen Veränderungen, die an den Wirbelkörpern oder Bandscheiben auftreten können. Die Symptome sind abhängig davon, wo sich ein solcher Abnutzungsprozess abspielt. "So können Verschleißerscheinungen an Knochen und Bandscheibe dazu führen, dass eine der Nervenwurzeln, die vom Rückenmark aus in den Körper ziehen, eingeklemmt wird", sagt Papavero. Das macht sich dadurch bemerkbar, dass Schmerzen auftreten, die vom Nacken in den Arm ausstrahlen, eventuell verbunden mit Taubheitsgefühl oder Muskellähmungen im Arm.

Die Schrift wird krakelig, Tassen gleiten aus der Hand

Wesentlich gefährlicher sind jedoch die nur wenig schmerzhaften Verschleißerscheinungen, bei denen ein Knochensporn oder die Bandscheibe gegen das Rückenmark drücken. "Meist fällt diesen Patienten zunächst nur auf, dass die Geschicklichkeit ihrer Hände nachlässt: Die Schrift wird krakelig, Essbesteck oder Tassen gleiten aus der Hand. Die Feinmotorik der Finger wird zunehmend beeinträchtigt", erklärt der Neurochirurg. Hinzu kommen Probleme beim Gehen. Der Gang wird steif und staksig. "Die Patienten berichten zum Beispiel, dass sich ihre Beine anfühlen wie aus Holz", so Papavero. Welcher Art die Verschleißerscheinungen sind, ist auch eine Frage des Alters. Der Bandscheibenvorfall, bei dem ein Nerv eingeklemmt wird, trifft eher Menschen im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt. Zu einer knöchernen Einengung des Rückenmarks kommt es am häufigsten im 5. und 6. Lebensjahrzehnt. Kommen diese Patienten zum Arzt, wird oft schon aus der Art der Beschwerden und der körperlichen Untersuchung deutlich, um welche Art von Verschleißerscheinung es sich handelt.

Letzte Sicherheit gibt eine Aufnahme der Wirbelsäulenregion. "Die aussagekräftigste Untersuchung ist die Kernspintomografie. Sie bildet die Wirbelsäule, Rückenmark und Nervenwurzeln ab, und der Patient wird nicht durch Strahlen belastet. Nur wenn sich im Kernspin ein krankhafter Befund findet, wird dieser Bereich noch mit einem Computertomogramm (CT) untersucht, weil sich dadurch Knochen besser von Bandscheibengewebe unterscheiden lassen", so Papavero.

Therapie in einem Drei-Stufen-Schema - Operation möglichst vermeiden

Ist die Diagnose klar, richtet sich die Therapie in einem Drei-Stufen-Schema danach, wie stark Nervenwurzeln und Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen sind. "Dabei verfahren wir nach dem Grundsatz, eine Operation möglichst zu vermeiden", sagt Papavero.

Die erste Stufe ist die konservative Behandlung mit Krankengymnastik und Wärmeanwendungen. Sie wird bei Patienten angewandt, die Schmerzen, aber keine Lähmungen oder Gangstörungen haben. Bei der Therapie geht es vor allem darum, die Nackenmuskeln mit speziellen Übungen zu stärken und wieder in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Zudem erhalten die Patienten für etwa zwei bis drei Wochen Medikamente gegen die Schmerzen.

Die zweite Stufe der Therapie kommt zum Einsatz, wenn ein Nerv eingeklemmt ist, der Patient aber keine oder nur geringfügige Lähmungserscheinungen in den Armen aufweist. "In solchen Fällen können wir die Beschwerden durch computergestützte Einspritzungen an den betroffenen Nerv lindern. Dabei werden zunächst ein Computertomogramm angefertigt und bestimmte Koordinaten errechnet. Dann führt der Arzt unter CT- Kontrolle eine Kanüle bis an die Nervenwurzel heran und spritzt ein örtliches Betäubungsmittel und Cortison. Das Betäubungsmittel lindert die Schmerzen, das Cortison bringt den gereizten Nerv zum Abschwellen."

In der dritten Stufe, wenn durch die Verschleißerscheinungen Lähmungen in Armen oder Beinen auftreten, geht es nicht mehr ohne Operation. Je nach Befund wird entweder von vorn durch den Hals oder vom Nacken aus operiert. "Man operiert durch den Hals, wenn die Bandscheibe ausgeräumt und ersetzt werden muss, entweder durch eine Bandscheibenprothese oder durch ein festes Implantat, das zu einer Verschmelzung der beiden angrenzenden Wirbelkörper führt", erklärt der Neurochirurg.

"Eine solche Fusion von Wirbelkörpern funktioniert hervorragend, hat aber einen Nachteil: Wird sie bei jungen Patienten angewandt, werden die benachbarten Bandscheiben früher verschlissen, weil sie einem höheren Druck ausgesetzt sind. Deswegen setzen wir bei ihnen eine Bandscheibenprothese ein - ein künstliches Gelenk, durch das die Beweglichkeit der beiden Wirbelkörper weitgehend erhalten bleibt", so Papavero.

Auch knöcherne Verschleißerscheinungen, die auf das Rückenmark drücken, werden durch den Hals mit der Fusionsmethode behandelt. Durch einen kleinen Schnitt im Nacken operieren die Neurochirurgen in Eilbek Patienten, bei denen nur kleine Stücke von ausgestoßenem Bandscheibengewebe entfernt werden müssen.

Wenn Lähmungen plötzlich auftreten, wird sofort operiert

Wie erfolgreich solche Eingriffe sind, hängt auch davon ab, wie lange vor der Operation die Lähmungen bereits bestanden haben. "Lähmungen, die nicht sehr ausgeprägt sind und nicht länger als drei Wochen bestehen, haben eine gute Rückbildungstendenz. Wenn Lähmungen plötzlich auftreten und rasch zunehmen, werden die Patienten sofort operiert", so Papavero. Vorbeugung, Diagnostik, Therapie von Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule sind auch Thema eines Symposiums, das unter Leitung von Dr. Luca Papavero am 1. September im Klinikum Eilbek stattfindet. Dabei wird Prävention großgeschrieben.

Die wichtigste vorbeugende Maßnahme ist eine starke und gesunde Nackenmuskulatur. "Vermeiden Sie langes Arbeiten mit gebeugtem Nacken. Sorgen Sie dafür, dass Sie beim Arbeiten am Bildschirm, beim Fernsehen und beim Lesen möglichst geradeaus schauen, zum Beispiel dadurch, dass sie den Computerbildschirm etwas erhöht aufstellen oder beim Lesen ein Lesepult verwenden", rät Papavero. Wer im Büro viel telefoniert, sollte sich ein Headset anschaffen. Schlecht für den Nacken ist es, den Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter einzuklemmen, um beim Telefonieren die Hände frei zu haben.