Wer die Nährwerte zählt, wird mit den neuen Hinweisen auf vielen Lebensmittel-Packungen getäuscht. Kritiker fordern eine gesetzliche Vorgabe.

Der aufmerksame Verbraucher bemerkt dieser Tage vielleicht etwas Neues auf seiner Cornflakes-Packung: "Eine Portion 30 g enthält 11 g Zucker", steht da zum Beispiel unten rechts. Anstelle komplizierter Nährwert-Tabellen auf der Rückseite sollen neue Kennzeichnungen vorne auf der Verpackung kundenfreundlich und offensichtlich informieren.

"Zwölf Prozent der empfohlenen Tageszufuhr eines Erwachsenen" lautet etwa ein Text auf dem Cornflakeskarton. "Super", denkt der Käufer. Zu Hause essen jedoch die Kinder die Cornflakes - und so stimmen auch die Angaben nicht. "Eine realistische Portionsgröße sind 60 Gramm, damit ist man bei doppelt so viel Zucker wie angegeben", warnt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Für Vier- bis Siebenjährige empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Zuckerzufuhr von 38 Gramm pro Tag. Aus zwölf Prozent des Tagesbedarfs eines Erwachsenen werden so 58 Prozent beim Kind. Über die Hälfte - und das allein zum Frühstück.

"Die Industrie will den Politikern Sand in die Augen streuen", sagt Schwartau. Durch Eigeninitiative wollten die großen Konzerne strengeren Gesetzen zuvorkommen. Das Ministerium für Verbraucherschutz hat bereits beschlossen, dass Angaben über Brennwert und den Anteil am täglichen Nährstoffbedarf auf die Verpackungen müssen. Über das Wie wird aber noch diskutiert.

Eine Möglichkeit macht Großbritannien seit einem Jahr vor. Eine "Punkte-Ampel" zeigt dort dem Verbraucher anhand der Farben Grün, Gelb und Rot wie bedenklich der Zucker- und Fettgehalt der Produkte ist. Auch Punkte für zu viel Salz und gesättigte Fettsäuren, verantwortlich für Herzkreislaufbeschwerden, gibt es. Eine Tüte Paprika-Chips bekommt nach diesem System für Fett und gesättigte Fettsäuren einen roten Punkt, einen gelben bei Salz und einen grünen für wenig Zucker.

Die "Ampeln" leuchten gut sichtbar vorne auf der Packung und erleichtern den Vergleich der Nahrungsmittel. "Eine solche Bewertung der Inhaltsstoffe fehlt in Deutschland. Gerade für Kinder ist das einfache System gut", so Schwartau. Nach Angaben der DGE ist in Deutschland jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig. "Gegen diese Epidemie muss die Politik etwas unternehmen."

Gegner der "Ampel" befürchten ein Punkte-Chaos im Supermarkt. Doch nur "zusammengesetztes, vorverpacktes Essen" erhalte ein Zeichen, entgegnet dem Schwartau. Eine Banane mache Kinder nicht dick. Bedenken, dass durch die Kennzeichen der Abnehmwahn junger Mädchen unterstützt würde, hat Schwartau keine. "Kinder- und Jugendärzte befürworten die Ampel", so die Ökotrophologin.

Die neuen Nährwertsymbole, die die Lebensmittelindustrie jetzt nach und nach auf Tüten und Becher aufbringt, seien mit Vorsicht zu genießen. Will der Käufer wissen, welche Cornflakes weniger Zucker enthalten, müsse er genau nachrechnen. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb: Ampelkennzeichnung der Lebensmittel auch in Deutschland!"