Medizin: Künstlicher Schlaf. Im Notfall versetzen Ärzte Kranke in einen Ruhezustand, wie jetzt Israels Premier Scharon.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon wurde nach einer Hirnblutung in ein künstliches Koma versetzt, aus dem er derzeit langsam wieder geweckt wird (weiterer Bericht über die politischen Folgen auf Seite 6). Doch was ist eigentlich ein künstliches Koma?

"Dabei werden die Patienten mit Hilfe bestimmter Narkosemittel in einen tiefen Schlaf versetzt", erklärt Dr. Heinzpeter Moecke, Leiter des Instituts für Notfallmedizin beim Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) und Ärztlicher Direktor des Klinikums Nord. Der Schlaf kann dabei so tief sein, daß - wie bei einem echten Koma auch - die Schutzreflexe bei dem Menschen, zum Beispiel Abwehrreaktionen auf Schmerzreize, nicht mehr auslösbar sind und er auch nicht mehr selbständig atmen kann.

Sinn dieser Maßnahme, die seit etwa 30 Jahren auf den Intensivstationen eingesetzt wird: "Damit wollen wir schwerstkranken Patienten in der Phase der Gesundung die Schmerzen nehmen und den Körper von alltäglichen Belastungen zeitweise befreien, damit er Gelegenheit hat, sich zu erholen", so der Anästhesist. "In diesem Zustand braucht der Patient die Unterstützung intensivmedizinischer Technik, mit künstlicher Beatmung und Ernährung, kontinuierlicher Überwachung der Körperfunktionen und der sogenannten Hämofiltration zum Ersatz der Nierentätigkeit."

Eingesetzt wird das Verfahren bei allen schwerkranken Patienten auf einer Intensivstation, zum Beispiel bei schweren Lungenentzündungen, Bauchfellentzündungen und bei Erkrankungen des Gehirns.

Bei Patienten mit schweren Gehirnerkrankungen kommen weitere Gründe hinzu. "Mit dem künstlichen Koma wollen wir dem geschädigten Gehirn Zeit geben, sich zu erholen und außerdem verhindern, daß der Hirndruck ansteigt - zum Beispiel durch Husten oder Pressen - und dann zu weiteren Schäden am Gehirn führt", so Moecke.

Die Dauer, für die man Menschen ins künstliche Koma versetzen kann, ist nicht begrenzt. Die Ärzte können diese Patienten durch Absetzen der Medikamente jederzeit innerhalb weniger Stunden aus diesem Zustand erwachen lassen. Bei Patienten mit schweren Blutungen im Gehirn ist das allerdings nicht immer möglich. "Das Ausmaß der Gehirnschädigung nach einer Hirnblutung läßt sich erst feststellen, wenn das künstliche Koma aufgehoben ist. Das kann aber auch bedeuten, daß der Patient in tiefer Bewußtlosigkeit, also in einem echten Koma verbleibt und nicht erweckbar ist."

Grundsätzlich gelte in der intensivmedizinischen Behandlung die Regel, die Patienten so kurz wie möglich in ein künstliches Koma zu versetzen und die Schlaftiefe so niedrig wie möglich zu halten, betont Notfallmediziner Moecke: "Denn durch die dauerhafte Immobilität und die künstliche Beatmung steigt das Risiko zusätzlicher Schäden, wie zum Beispiel Lungenentzündungen, Druckstellen durch Wundliegen oder Infektionen."