Tiermedizin: Fisch-Ärzte in den USA heilen Grätenbrüche und Schwimmstörungen. Das Geschäft mit Operationen an Flossentieren boomt.

Es ist 8.45 Uhr, im Wartezimmer der Tierarztpraxis von Greg Lewbart wartet schon der erste Patient: Es ist Oscar, ein vier Jahre alter Goldfisch. Veterinär Lewbart ist Spezialist für Fische - eine Branche, die in den USA angesichts von 15 Millionen Haushalten mit Aquarien boomt. Die schwimmenden Patienten kommen mit Grätenbrüchen, kaputten Augen oder Gleichgewichtsstörungen. Ihre Besitzer zahlen für die Behandlung oft mehr als das Zehnfache der Summe, für die sie ihren Liebling einst erworben haben.

Oscar schwappte einst für nicht einmal zehn Dollar (7,66 Euro) über den Ladentisch. Nach der Behandlung werden seine Besitzer um rund 150 Dollar ärmer sein: 40 Dollar für die Untersuchung, 60 für die Röntgenaufnahme, 50 für die Betäubung. "Die Menschen hängen sehr an ihren Fischen", stellt der Arzt fest. "Ich hatte hier gestern einen Fisch, der weniger als 18 Dollar wert war, aber seine Besitzer hatten schon 700 Dollar für Tierarztrechnungen ausgegeben. Sie kannten ihren Fisch richtig gut, und er reagierte auf seine Besitzer."

Der an Hautkrebs erkrankte Goldfisch Granny legte mit seinem Besitzer mehr als 300 Kilometer bis zu Lewbart zurück. Jetzt liegt Granny wie in Totenstarre auf dem Operationstisch. Keine Schuppe bewegt sich, als Lewbart mit seinem Kollegen Anthony Blikslager und mit Hilfe moderner Lasertechnik einen Haut-Tumor bei dem zentimetergroßen Patienten entfernt. Für die OP werden die Patienten in eine Unterlage aus feuchten Plastikblättern gebettet. Zur Betäubung wird zunächst ein Mittel ins Wasser gegeben, dann bekommen die Fische eine Spritze verpasst.

Lewbart ist nach Angaben des US-Veterinärverbands einer von rund 2000 Kollegen in den USA, die sich auf Fische spezialisiert haben. Der Tierarzt ist Pionier auf seinem Gebiet und lehrt an der Universität von North Carolina in Raleigh. Pro Jahr behandelt Lewbart in seiner Praxis fünfzig bis hundert Flossentiere, gelegentlich macht er einen richtig guten Fang: Für exotische Fische zahlen die Besitzer schon mal 15 000 Dollar Behandlungskosten. Koi-Karpfen, die in Lewbarts Praxis kamen, gewannen internationale Wettbewerbe.

Dabei werde er selbst als Exot angesehen, berichtet der Tierarzt: Wenn er auf einer Cocktail-Party erzähle, was er beruflich mache, seien die Menschen "erstaunt". Denn zu Lewbarts täglichen Verrichtungen gehört es, gebrochene Gräten mit Plättchen zu flicken, die mit Schrauben im oftmals sehr kleinen Fischkörper festgehalten werden. Auch Schönheits-OPs nimmt er vor, etwa wenn er ein kaputtes Auge durch eine Glaskugel ersetzt.

Am häufigsten leiden die schuppigen Zeitgenossen aber unter Gleichgewichts- und Schwimmstörungen. Die entstehen durch Infektionen oder Verstopfungen der Blase, mit der die Tiere den Luftdruck regulieren, um auf- und absteigen oder zur Erheiterung ihrer Besitzer mit lustigen Schwüngen durchs Aquarium steuern zu können. An einem Übungsfisch lernte Lewbart 1993, wie sich eine kranke Fischblase behandeln läßt. Dann konnte er Zeus helfen. Der Zitronenbuntbarsch neigte dazu, über Kopf zu schwimmen.