Jedes Jahr sterben 120 000 Menschen in Deutschland am plötzlichen Herztod. Ein Hamburger Kardiologe erklärt, welche technischen Möglichkeiten es gibt, um das Herz wieder in den richtigen Takt zu bringen und die Zahl der Todesfälle zu senken.

Plötzlicher Herztod - das klingt schrecklich und sagt doch alles. 120 000 Menschen im Jahr sterben auf diese Weise allein in Deutschland. Hinter dieser Zahl steckt eine gewaltige Dimension. "Das wäre so, als würde jeden Tag ein Langstreckenflugzeug abstürzen oder täglich zwei City-Jets", sagt der Hamburger Kardiologe Prof. Dr. Detlef Mathey. Zum Vergleich: Im Straßenverkehr kommen deutschlandweit im Jahr "nur" rund 5000 Menschen um. Dabei wird mit riesigem technischem Aufwand alles Menschenmögliche getan, um Opfer zu verhindern, in den Fahrzeugen vom Airbag bis zum Sicherheitsgurt und an den Autobahnen von Leitplanken bis zu Notrufsäulen.

"Was aber tun wir für die von einem Herztod Bedrohten?", fragen sich viele Mediziner. Dabei gäbe es mit viel weniger Aufwand als im Straßenverkehr einige technische Möglichkeiten, die Zahl der Toten zu verringern, zum Beispiel in einem Hamburger Einkaufszentrum, wie dem im Alstertal. In dieser Stadtregion leben überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Und mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko auf einen Herztod. Im AEZ (Alstertal-Einkaufszentrum) gibt es alle sechs bis acht Wochen Alarm, weil ein Besucher zusammenbricht und sein Herz stillsteht oder mit so hoher Frequenz "flattert", dass der Kreislauf zusammenbricht. Das Einkaufszentrum ist darauf gut vorbereitet. Denn hier gibt es einen sogenannten Defibrillator, also ein Gerät, mit dem ein geschulter Helfer versuchen kann, über einen elektrischen Impuls das Herz wieder zum Schlagen zu bringen. "Wir sind fast immer erfolgreich", sagt AEZ-Centermanager Jörg Harengerd. 20 Mitarbeiter könnten mit dem Notfallgerät umgehen und würden regelmäßig beim Roten Kreuz geschult. "In ein bis zwei Minuten sind wir am Einsatzort."

Minuten, die Leben retten. Denn bis ein Notarzt eintritt, vergehen in Hamburg rund fünf, im Bundesschnitt sogar neun Minuten. Dabei ist bekannt. Die beste Aussicht auf eine erfolgreiche Wiederbelebung besteht in den ersten vier Minuten nach dem Zusammenbruch. Die "Vier-Minuten-Grenze" sei eine Art "Wasserscheide", meint Mathey. Wird innerhalb dieser Frist ein Defibrillator eingesetzt, überleben 30 Prozent der Betroffenen. Mit jeder weiteren Minute, die verstreicht, sinkt die Chance, ins Leben zurückgeholt zu werden, rapide. "Es kommt auf die Schnelligkeit der Hilfe an", sagt Staatsrat Dr. Volkmar Schön. Jeder sei dann gefordert, "der weiß, was zu tun ist". Denn bis Rettungskräfte eintreffen, ist es oft schon zu spät.

Ein Defibrillator, kurz Defi, lohnt sich vor allem dort, wo sehr viele Menschen zusammenkommen. Im AEZ sind das 40 000 Kunden am Tag, an manchen einkaufsstarken Tagen sogar 70 000.

In Hamburg wäre zum Beispiel der U-Bahnhof Jungfernstieg ein lohnender Aufstellungsort für das Überlebensgerät. Werktags gibt es hier rund 300 000 Ein-, Aus- und Umsteiger, hat Dr. Steffen Wahler errechnet. Der Internist und Geschäftsführer Gesundheitsökonomie beim Verband Forschender Arzneimittelfirmen in Berlin hält die Bereitstellung von Defis an Brennpunkten der Stadt auch unter finanziellen Gesichtspunkten für sinnvoll. Orte, an denen Menschen "wahrscheinlich einen Herzstillstand erleiden", seien zum Beispiel Flughäfen, Bahnhöfe, Stadien, Golfplätze, Einkaufszentren.

Doch auch wenn kein Defi in der Nähe ist, gibt es hilfreiche Möglichkeiten der Wiederbelebung. Am effektivsten ist die Herzmassage. Dabei legt der Helfer seine Hände dem Betroffenen mitten auf dessen Brustkorb am unteren Ende des Brustbeins. Dort soll man 90-mal pro Minute den Brustkorb vier bis fünf Zentimeter eindrücken. Der heute immer noch empfohlene Rhythmus mit anschließenden zwei Beatmungsversuchen (Mund zu Mund oder Mund zu Nase) ist unter Experten allerdings umstritten. In den USA verzichtet man auf diese künstliche Beatmung, weil Studien ergeben haben, dass dadurch die Überlebenschance nicht steigt.

Was soll der Laie tun in einem solchen Notfall? "Sofort 112 anrufen und mit der Herzmassage beginnen", rät Mathey.


Bei lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen wie dem Kammerflattern oder dem Kammerflimmern gerät das elektrische Erregungssystem des Herzens völlig außer Kontrolle, das normalerweise von einem Zentrum im Herzvorhof gesteuert wird. Der Herzschlag in den Herzkammern ist bei diesen Rhythmusstörungen so schnell und so unkoordiniert, dass der Herzmuskel sich nicht mehr richtig zusammenziehen kann. Mit tödlichen Folgen: Das Herz kann seine Pumpfunktion nicht mehr erfüllen, es kommt zum Herzstillstand.