Überhöhte Geschwindigkeit, gepaart mit schlechter Wartung waren die Ursache des Untergangs der "Estonia", bei dem in der Nacht des 28. September 1994 insgesamt 852 Menschen starben. Diese Aussage ist unter Experten eigentlich unumstritten. Da dennoch immer wieder Gerüchte über kriminelle Machenschaften und Anschläge auftauchten, schrieben die schwedischen Behörden im Sommer 2006 eine wissenschaftliche Untersuchung aus, die Hamburger Forscher der TU Harburg und der Schiffsbauversuchsanstalt gewannen. Herzstück der Studie ist das Simulationsprogramm "Rolls", das Schiffsunglücke durch Seegang rekonstruieren kann. Ihre Ergebnisse wollen die Forscher im Mai in Stockholm präsentieren. Erste Ergebnisse veröffentlichte bereits das Magazin "Der Spiegel". Demnach steht fest, dass in der Unglücksnacht sowohl das Bugvisier der Fähre als auch die dahinter hoch geklappte Fahrzeugrampe weggebrochen waren. Nur so lässt sich der relativ schnelle Einbruch riesiger Wassermassen erklären. Um eine Verspätung aufzuholen, preschte die Besatzung zu schnell durch die schwere See - dafür war das Bugvisier nicht ausgelegt. Nach dem Wassereinbruch drehte der Schiffsführer die "Estonia" nach backbord, um die offene Wunde des Schiffs nicht länger der Wucht der anrollenden Wellen auszusetzen. Das an sich sinnvolle Manöver erwies sich als weiterer Sargnagel für die Fähre: Die Fliehkräfte des bereits eingedrungenen Wassers verstärkten die Schlagseite. Nun zerstörten die Wellen auch noch das Sicherheitsglas der großen Fenster im hinteren Teil des Schiffes. Mit Hilfe der Evakuierungssoftware "Aeneas" zeigten die Berechnungen, dass die starke Schlagseite der virtuellen "Estonia" die Rettungswege nahezu unpassierbar machte.