Welche neuen Aufgaben stellen sich der Akademie? Antworten gibt der Präsident.

Wir werden die wissenschaftsbasierte Politikberatung und die Internationale Zusammenarbeit ausbauen", sagt Prof. Volker ter Meulen, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina im Gespräch mit dem Abendblatt. Das ist ein Schritt, damit die überregionale Gelehrtengesellschaft ihre neue Aufgabe als Nationale Akademie der Wissenschaften in Deutschland erfüllen kann.

Fast zwei Jahrzehnte lang war das Vorhaben, eine nationale Vertretung der deutschen Wissenschaft zu schaffen, an den Länderakademien gescheitert. Nun sind die Bedenken vom Tisch und die deutsche Wissenschaft hat endlich eine prominente Stimme.

Damit diese auch Gewicht hat, werden die Themen und die Stellungnahmen im Rahmen der wissenschaftsbasierten Politikberatung in einem Koordinierungsgremium behandelt werden. Diesem Koordinierungsausschuss werden drei Vertreter der Leopoldina, drei Vertreter der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), ein Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft (BBAW) und zwei Vertreter der Länderakademien angehören. "Dieser Ausschuss legt die Themen fest. Er setzt auch die Arbeitsgruppen ein, die für die Erstellung von Positionspapieren notwendig sind", erläutert Prof. ter Meulen. Die Themen, die zu behandeln sind, werden auf drei Ebenen liegen. "Es wird die großen, interdisziplinär angelegten Arbeitsgruppen geben, die über zwei bis drei Jahre laufen. Sie werden beispielsweise Themenkomplexe wie Chancen und Risiken des Alterns, Klimawandel oder Gesundheit bearbeiten. Dann werden wir eine zweite Ebene einziehen. Die betrifft Themen, die mehr disziplinspezifisch sind wie Probleme der Medizin, Energieeffizienz oder alternative Energien. Stellungnahmen zu diesen Themen sollen darlegen, was wissenschaftlich gesichertes Wissen ist, wo es wissenschaftliche Defizite gibt und welche erforscht werden sollten. Die dritte Arbeitsebene betrifft Ad-hoc-Stellungnahmen zu tagespolitischen Geschehen wie zum Beispiel Gesetze zur Stammzellforschung. Auch diese Stellungnahmen werden vom Koordinierungsgremium abgegeben werden."

Zudem wird sich die Leopoldina, die ihre Arbeit wie bisher fortführen wird, auch international noch mehr engagieren, schließlich vertritt sie künftig die deutsche Forschung im Ausland. "Wir sind ja schon sehr gut vertreten", urteilt der Präsident. So hat die Akademie beispielsweise neben zahlreichen Symposien, die sie im vergangenen Jahr an deutschen Universitätsstädten veranstaltete, Arbeitstreffen mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking, mit der Indischen Akademie der Wissenschaften in NeuDelhi und mit der Französischen Akademie der Wissenschaften im Elsass durchgeführt. Zudem hat die Leopoldina an internationalen Stellungnahmen mitgewirkt, wie der der G8-Akademien zum Klimawandel. Diese Arbeitsbeziehungen sollen ausgebaut und vertieft werden.

Bedenken, die Leopoldina könne aufgrund ihrer eher naturwissenschaftlichen Ausrichtung geistes- und sozialwissenschaftliche Fragestellungen nicht kompetent behandeln, weist Prof. ter Meulen zurück. "Dafür haben wir uns ja mit den Landesakademien zusammengetan. Hierdurch ist gewährleistet, dass auch geistes- und sozialwissenschaftliche Themen, bei denen die Politik Beratungsbedarf hat, bearbeitet werden können." Er könne sich gut vorstellen, dass zum Beispiel aus dem Bereich "Bildung im 21. Jahrhundert" Themen aufgegriffen werden.

Doch zunächst müssen Finanz- und Wirtschaftspläne aufgestellt und mit dem Bund sowie dem Land Sachsen-Anhalt abgesprochen werden. "Dann kann Mitte des Jahres in Halle auch die Gründung erfolgen", so Prof. ter Meulen, der keine Klippen sieht, an denen das Projekt Nationale Akademie noch scheitern könnte. "Es ist eine sehr positive Aufbruchstimmung da."