Mitten im kalten Krieg überwand er alle Grenzen - der Ostdeutsche Dr. Sigmund Jähn. Das ist nun schon fast 30 Jahre her. Im Gespräch mit dem Abendblatt erinnert sich der erste Deutsche im All noch ganz genau: "Den Abflug kann man nicht beobachten, erst in 80 Kilometer Höhe wird die schützende Startverkleidung von der Rakete abgesprengt, und man hat einen Blick nach außen", sagt Jähn.

Bis seine Kollegen und er die Umlaufbahn der Erde erreichten, vergingen neun Minuten. "Es war nachts, unter mir war eine komische Bewölkung. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Man denkt, ,jetzt bist du schwerelos' und sieht, die Arme bewegen sich ganz eigenartig", so Jähn.

"Wenn man eine Woche im All ist, vermisst man nichts. Natürlich war es unbequem, und wenn man seinen Schlafsack an der Wand befestigt, schläft man nicht wie in einem Bett. Aber wir konnten die Erde von außen sehen - es ist ein Wunder, dass man das erleben darf."

Die Perspektive, aus der Jähn auf die Erde hinunterblickte, hat ihn beeindruckt: Mit der Multispektralkamera MKF 6, die vom Kombinat VEB Carl Zeiss Jena gebaut wurde, dokumentierten Jähn und sein Team ihre Erdbeobachtungen. Die Fotos wurden von Geologen ausgewertet und bildeten den Ausgangspunkt für Jähns Dissertation, die er 1983 am "Zentralinstitut für Physik der Erde" (Zipe) in Potsdam abschloss. Das Zipe war Teil der bedeutendsten Forschungsinstitution Ostdeutschlands: der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Nach seiner Rückkehr auf die Erde wurden Jähn die Titel "Held der DDR" und "Held der Sowjetunion" verliehen. Die Auszeichnungen seien eine sehr große Ehre gewesen, "es ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass man sich nun als Held zu fühlen hat, doch in gewissem Maße bin ich stolz drauf". Bis heute beschäftigt sich Jähn mit den Herausforderungen der Raumfahrt. So hält er eine Erkundung des Mondes durch die Deutschen für sinnvoll: "Kann er bei den Energieproblemen auf der Erde helfen?" Allerdings sollten solche Erkundungen in Kooperation mit anderen Nationen erfolgen.

Und eine Fahrt zum Mars? "Die wird kommen!", dessen ist sich Jähn sicher. Aber zum Bewohnen möchte er den Mars nicht haben, "die Menschen sollen lieber auf die Erde aufpassen, anstatt Pläne zu schmieden, den Mond oder den Mars zu besiedeln. Ich lebe lieber auf der Erde".

Ob er ins All zurückkehren würde? Auf diese Frage reagiert der mittlerweile 70-Jährige zunächst enthusiastisch. In Anbetracht seines Alters überlegt er sich dann jedoch, dass weitere Weltraumfahrten ausgeschlossen seien.

Am Freitag hält Jähn einen Vortrag im Planetarium Hamburg . Er hat sich vorgenommen, nicht über seinen Raumflug zu reden, denn er darüber habe er schon so oft berichtet.

Vielmehr verspricht er einen Überblick über die Geschichte der Raumfahrt zu geben, von den Anfängen in den 1920er-Jahren über die Entwicklung nach dem Krieg bis hin zur aktuellen Raumfahrt und einem Ausblick. Mit einem kann das Publikum auf jeden Fall rechnen: Einige Bilder der Erde aus der Perspektive des Weltraums, denn die Perspektive verändert immer auch die Sicht auf die Erde. "Die Woche im All hat meine Weltsicht verändert", sinniert Jähn. Damit spielt er auf die kalten und heißen Kriege an, die sich die Menschheit in den 1970er-Jahren lieferten. Für die weitere Erkundung des Alls rät er: "Wenn man Weltraumforschung gemeinsam betreibt, lässt sich viel erreichen" - und das nicht nur in technischer Hinsicht!

Vortrag: "50 Jahre Raumfahrt", Deutsche Beiträge zur bemannten Raumfahrt, Dr. Sigmund Jähn, Freitag, 19.10., 19.30 Uhr, Eintritt 7,50 (erm. 4,50) Euro, Planetarium Hamburg, Hindeburgstraße 1b, 22303 Hamburg, Bushaltestelle Jahnring (Mitte).