Knallrote Sportschuhe, federnder Gang, blonde Strähnen im Haar, markante Gesichtszüge - US-Hirnforscher Christof Koch fällt auf. "Es ist das goldene Zeitalter der Neurowissenschaften", schwärmt Koch, der am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena forscht. Das Abendblatt traf ihn in Berlin.

Der Physiker, Philosoph und Biophysiker gehört zu den Pionieren der Bewusstseinsforschung. Mit Medizinern der Universität von Kalifornien (Los Angeles) entdeckte er das "Jennifer-Aniston-Neuron". "Es wurde aktiv, wenn wir dem Versuchsteilnehmer Bilder der US-Schauspielerin zeigten", erzählt Koch. Dass nur ein einzelnes Neuron so komplexe Inhalte repräsentiert, widerspricht der gängigen Auffassung, dass Netze von Nervenzellen Erinnern und Bewusstsein leisten.

Diesen überraschenden Einblick ins Gehirn gewannen die Forscher bei acht Epilepsiepatienten, die nicht medikamentös zu behandeln waren. Ihnen hatten Ärzte Elektroden ins Gehirn implantiert, um den Ursprung der Anfälle aufzuspüren. "Gleichzeitig wurden jedem im Schläfenlappen, wo das Gedächtnis vermutet wird, Mikroelektroden eingepflanzt. Danach wurden die Patienten gebeten, sich Bilder berühmter Menschen anzusehen", schildert Koch. Zeitgleich maßen die Wissenschaftler die elektrischen Ströme der Nervenzellen. Sie stellten fest, dass einzelne Neurone quasi als Antwort auf bestimmte Bilder elektrische Signale aussenden.

Außerdem beobachteten sie eine "Halle-Berry-Nervenzelle". Sie reagierte sogar, wenn der Teilnehmer nur den Namen las. Koch: "Wir brauchen technische Innovationen und bessere mathematische Modelle, um herauszufinden, wie das Gehirn arbeitet. Unsere Methoden sind zu grobkörnig." Im Vergleich zur Physik stehe die Neurowissenschaft "irgendwo zwischen den Griechen und Galileo".

Dennoch zeichnet sich ab, dass unser Selbstbild dramatisch verändert wird, betont der Neuroforscher, der auch Säugetieren ein gewisses Bewusstsein zuerkennt und deshalb vor zwei Jahren zum Vegetarier wurde.

Schon seit den 80er-Jahren wird diskutiert, ob der Mensch einen freien Willen hat. Anlass war ein Versuch des US-Physiologen Benjamin Libet. In ihm sollten die Teilnehmer einen Finger beugen, sobald sie dies wünschten. Was im Gehirn geschah, zeichneten die Forscher mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) auf. Das Ergebnis: Schon 0,5 Sekunden bevor sich die Teilnehmer bewusst entschieden zu handeln, zeigte das EEG ein Bereitschaftspotenzial. "Das zeigt, dass unser Gehirn und nicht unser bewusstes Ich entscheidet, wie wir handeln", sagt Koch.

Im Unterschied zu europäischen Forschern ist ihm die Scheu, Neues auszuprobieren, fremd. "Was spricht dagegen, sich einen Chip ins Gehirn einpflanzen zu lassen, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen? Was soll schlimm am Gedankenlesen sein?", wundert sich der durchtrainierte Wissenschaftler, der sein Gehirn entspannt, indem er mit seinen beiden Hunden in den kalifornischen Bergen läuft. Es beunruhigt ihn nicht, dass sein Kollege Prof. Gabriel Curio (Charite, Berlin) berichtet, dass er keinen Unterschied zwischen selbst und fremd verspürte, als er mit seinen Gedanken den Cursor eines Computers steuerte. Im Gegenteil.

Wenn das Pentagon in zwei bis drei Jahren Prothesen entwickeln lässt, die mithilfe von Gehirnströmen gesteuert werden können, könnte das den Durchbruch im Zusammenwirken von Mensch und Maschine bringen. Das freut den grenzenlosen Optimisten.