Wer sind die Urväter der modernen Medizin? Die ärztliche Kunst, wie sie heute praktiziert wird, geht im Prinzip auf den griechischen Arzt Hippokrates von Kos (um 460 bis 370 vor Christus) zurück. Er gilt als berühmter Denker, der Krankheit nicht mehr religiös-magisch aufgefasst hat, sondern als ein erklärbares Geschehen. Jetzt macht ein britisches Forscherteam Hippokrates zwar nicht seine Leistung streitig, sieht ihn und die Griechen jedoch nicht mehr als den Urahn der naturwissenschaftlichen Medizin an. Die Urväter unserer modernen Medizin, so die Forscher, waren die Ägypter - und das rund 1000 Jahre bevor Hippokrates geboren wurde. Dies ergab eine Auswertung von Papyri, die etwa 1500 vor Christus beschrieben worden sind.

Die Papyri, die Beschreibungen von Heilmitteln gegen zahlreiche Krankheiten enthalten, waren bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts gefunden worden. Doch sie wurden bisher nie ausgewertet .

"Als wir die alten Heilmittel mit unseren pharmazeutischen Standards von heute verglichen, entdeckten wir, dass die damaligen Mittel den therapeutischen Nutzen haben, den wir ihnen auch heute noch zusprechen", erklärt Jacqueline Campbell von der University of Manchester.

So hatten schon die alten Ägypter Sellerie und Safran gegen Rheuma eingesetzt. Rizinusöl und Bitterzitrulle nutzten sie als Abführmittel, oder sie rückten dem Bandwurm mit dem Granatapfel zu Leibe.

Die aktuellen Untersuchungen zeigen, so die Forscher, dass es eine ernst zu nehmende Pharmazie bereits bei den Ägyptern und damit lange vor den Griechen gab. "Viele der Heilmittel, die wir entdeckten, haben bis ins 20. Jahrhundert hinein überlebt und sind tatsächlich noch immer in Gebrauch, auch wenn deren aktive Komponente heute oft synthetisch hergestellt wird", ergänzt Campbell.

"Wir setzen unsere Forschung jetzt auf einer genetischen, chemischen und vergleichenden Basis fort und vergleichen die medizinischen Pflanzen des alten Ägypten mit modernen Arten, um Ähnlichkeiten zwischen den traditionellen Heilmitteln von Nordafrika und den Heilmitteln der nordafrikanischen Vorfahren von 1500 vor Christus zu finden."

Die britischen Forscher bestätigen mit ihrer Arbeit die seit Langem bewunderte Heilkunst der alten Ägypter. Schon der römische Geschichtsschreiber Herodot berichtete, dass ägyptische Ärzte ihren Patienten den Puls fühlten, den Schweiß prüften und Harn und Stuhl untersuchten. Auch sollen sie regelmäßig Darmeinläufe mit Klistieren gemacht haben, weil sie vermuteten, dass die Ursachen vieler Erkrankungen im Verdauungssystem lägen. Die Ausbildung der Ärzte erfolgte vermutlich in Schulen, die den Tempeln angeschlossen waren.