Forscher der Washington-Universität haben Fossilfunde aus Rumänien erneut untersucht. Dabei stießen sie auf überraschende Gemeinsamkeiten der beiden Menschenarten.

Die Neandertaler sind ausgestorben - das ist sicher. Aber tragen wir, die modernen Menschen von heute, dennoch etwas vom Erbgut dieser robusten Eiszeitbewohner in uns? Über diese Frage streiten Ur- und Frühgeschichtler, Genetiker und Anthropologen. Jetzt deuten neue Ergebnisse darauf hin: Neandertaler und Homo sapiens haben sich vielleicht doch untereinander vermehrt und vermischt. Das jedenfalls behaupten rumänische und amerikanische Forscher um Erik Trinkaus von der Washington-Universität in St. Louis (US-Staat Missouri). Sie haben das Alter und die Form von Knochen genauer untersucht, die bereits 1952 in der Höhle Pestera Muierii in Rumänien entdeckt worden waren. Ihre Forschungsergebnisse stellen sie jetzt in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften vorab in einer Online-Version vor.

Dort berichten die Wissenschaftler von den merkwürdigen Merkmalen der 30 000 Jahre alten Fossilien. Einige seien typisch für den anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens): eine vergleichsweise kleine Kinnlade mit ausgeprägten Eckzähnen, eine enge Nasenöffnung und kleine Augenbrauenbögen. Daneben fanden sie aber auch typische Auffälligkeiten des Neandertalers (Homo neanderthalensis): eine niedrige fliehende Stirn, die markanten Oberaugenwülste, einen großen Augenabstand und enge, flache Schulterblätter.

Die Fundstücke aus Rumänien untermauern die Theorie, dass sich die frühen modernen Europäer mit Neandertalern gekreuzt haben könnten. Bereits 1998 war in Lagar Velho in Portugal das 24 500 Jahre alte Grab eines Kindes entdeckt worden, dessen Skelettmerkmale sowohl dem modernen Menschen als auch dem Neandertaler zugeschrieben wurden. Schon damals vermutete Trinkaus, dass es sich bei dem Kind um einen Mischling aus beiden handelt. Der Fund bot aber keinen eindeutigen Beleg, da die Einordnung von Kinderskeletten als schwierig gilt.

Handelt es sich hier vielleicht um die Überreste eines Mischlings zwischen einem Neandertaler und einem modernen Menschen? Experten wie der Chef des Neanderthal-Museums in Mettmann bei Düsseldorf hatten immer ihre Zweifel an den unterstellten Unterschieden. Die Trennung in zwei biologische Arten lasse sich jedenfalls "in den sehr einheitlichen kulturellen Hinterlassenschaften nicht erkennen", ist er überzeugt. Damit gibt er einer Entwicklung Ausdruck, die das Bild vom muskulösen Einfaltspinsel, das mit der Entdeckung der ersten Skelettreste im Neandertal vor 150 Jahren aufkam, in der Wissenschaft seit langem zurechtgerückt hat. Denn auch Neandertaler sollen schon ihre Toten bestattet und kulturelle Leistungen erbracht haben. Auch eine Art Neandertal-Sprache wird in der Fachwelt nicht mehr ausgeschlossen. Umstritten ist allerdings, ob sie wirklich Höhlenzeichnungen geschaffen haben und ob ausgegrabene Flöten aus Knochenstücken von Neandertal-Händen geschnitzt worden sind.

Ist es aber andererseits vorstellbar, dass Homos sapiens und Neandertaler über Jahrtausende dasselbe Gebiet besiedelten und dabei so streng voneinander getrennt lebten, dass sie sich nie vermischt haben? Immerhin unterschieden sie sich äußerlich kaum mehr voneinander als heutzutage Westeuropäer und Asiaten.

Dennoch haben die bisher spärlichen genetischen Analysen keinen Beleg erbracht, dass sich beide Menschentypen vermischt haben. Vielleicht sind die typischen Neandertal-Gene aber auch einfach heute nicht mehr nachweisbar.

Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie wollen das genetische Rätsel lösen. Der Paläogenetiker Prof. Svante Pääbo und sein Team suchen die Gene, die von der Evolution des Menschen erzählen. Um diese zu bestimmen, will er in den kommenden zwei Jahren auch das Erbgut des Neandertalers entziffern. Allerdings sind die seltenen Neandertaler-Proben oft "verunreinigt" und zeigen die Spuren heutiger Menschen, weil sie durch viele Hände gegangen sind. So tauchte sogar in den Proben von Höhlenbärenzähnen die DNA moderner Menschen auf.