BSE ist eine Hirnkrankheit des Rindes. Auf der Insel Riems wird in einem Infektionsversuch erforscht, wie die krank machenden Prionen wandern.

Kaum war der 400. deutsche BSE-Fall bekannt, da forderte Prof. Michael Braungart, Leiter des Hamburger Umweltinstituts (HUI), im Abendblatt, dass man die Verfütterung von Tiermehl wieder erlauben solle. Das ist seit dem 2. Dezember 2000, vierzehn Tage, nachdem das erste deutsche Rind an BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) erkrankte, verboten. Denn mit dem Tiermehl breitete sich der BSE-Erreger in den 1990er-Jahren rasant aus - bis heute starben allein in Großbritannien 184 266 Rinder. Kann man nach 20 Jahren BSE jetzt zum "Normalzustand" zurückkehren?

"Prinzipiell ist gegen die Wiedereinführung der Verfütterung von Tiermehl an Schweine und Hühner nichts einzuwenden, wenn sichergestellt ist, dass das Futter nur von diesen Tieren gefressen wird. In der Praxis ist das aber bisher kaum möglich zu kontrollieren", kommentiert Prof. Martin Groschup, der im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems BSE erforscht. Gelangt das Tiermehl wieder ins Rinderfutter, könnte sich die Seuche erneut ausbreiten - mit allen Gefahren für den Menschen. Bislang starben 175 Menschen an einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, 156 davon in Großbritannien. Sie gleicht im Verlauf dem Rinderwahnsinn, die Erreger werden sehr wahrscheinlich durch infiziertes Fleisch auf den Menschen übertragen.

Die Erreger der BSE sind Prionen - ein Kurzwort für "proteinaceous infectious particle". Das sind Proteine, die auch natürlicherweise im menschlichen und tierischen Körper vorkommen. Treffen die "gesunden" Prionen auf "kranke" Prionen, dann wandeln sich die "gesunden" Prionen in pathogene Prionen um. Wie die BSE-Erreger aus dem Magen der Tiere in deren Gehirn gelangen, diese zentrale Frage erforscht Groschup seit fast vier Jahren in einem Infektionsversuch mit 74 Rindern.

56 Kälber aus einer ökologisch geführten Mutterkuhherde wurden mit je 100 Gramm eines Gehirnbreis von BSE-positiven Rindern gefüttert. Weitere 18 Rinder wurden nicht infiziert, sie dienen als Kontrolltiere. "Von den Tieren werden alle acht Wochen Blut- und Harnproben, alle vier Monate Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Alle vier Monate werden vier infizierte und ein Kontrolltier eingeschläfert", so Groschup. Jedes Tier wird seziert. "Pro Tier nehmen wir 14 000 Proben, darunter solche aus dem Gehirn, dem Rückenmark, der Speicheldrüse, den Mandeln, der Netzhaut, aus Leber, Milz, Niere, Darm und Knochen sowie unterschiedlichen Körperflüssigkeiten. Insgesamt werden 150 Gewebetypen beprobt. Inzwischen ist eine Probenbank entstanden, die 170 000 Proben enthält", so der Veterinärmediziner, der den Infektionsversuch 2007 abschließen will.

Inzwischen spürten die Wissenschaftler des FLI krank machende Prionen im Darm auf, entdeckten Ablagerungen des BSE-Erregers im zentralen Nervensystem. "Zudem haben wir erste Hinweise, dass diese Prionen auch im vegetativen Nervensystem auftauchen. Es könnte das ,missing link' im Transportmechanismus der BSE-Erreger vom Darm ins zentrale Nervensystem sein. Der Weg verliefe dann vom Darm über periphere Nerven des vegetativen Nervensystems ins Rückenmark und von dort ins Gehirn", skizziert Groschup. Doch erst, wenn die Forscher in weiteren Untersuchungen in Leber, Niere. Herz oder Milz der infizierten Tiere keine Erreger finden, ist die Wanderung des BSE-Erregers über das Blut- und Lymphsystem ausgeschlossen. Erst dann weiß man, wie der Infektionsweg verläuft.

Die Ergebnisse der Studie werden somit auch dazu beitragen, "die Risiken für den Menschen beim Verzehr von Rindfleisch genauer bestimmen zu können", hofft Groschup. Experten des Medical Research Council (MRC) in Großbritannien, die sich mit der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit befassen, betonten kürzlich erst wieder, dass es bisher keine Therapie und keine Impfung gegen sie gibt. Bis heute ist der einzige Schutz, sich nicht mit dem BSE-Erreger zu infizieren. Wer Tiermehl wieder als Futtermittel freigeben will, muss daher Missbrauch sicher verhindern.

Informationen im Internet: www.tse-forum.de