Stammzellen: Während heftig übers Klonen gestritten wird, arbeiten Forscher wie Prof. Schöler an neuen Wegen, um die technischen und ethischen Herausforderungen zu lösen

Die Briten tun es, die Koreaner tun es, die Amerikaner dürfen es offiziell nicht, die Deutschen auch nicht - und was nun? Der Streit um das Klonen wird erneut die UNO-Vollversammlung beschäftigen, die gegenwärtig in New York tagt. "Wir werden das therapeutische Klonen, mit dem embryonale Stammzellen für Ersatzgewebe erzeugt werden sollen, weltweit nicht verbieten können", dessen ist sich Prof. Dr. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft sicher. Zu groß sind die Hoffnungen, die mit dieser Forschung verknüpft sind. Doch ist das therapeutische Klonen der Königsweg, der in ein neues medizinisches Zeitalter führt? Schließlich ist diese Technik mit vielen Problemen behaftet (siehe Kasten). Einige davon lassen sich aber möglicherweise lösen.

So braucht man vielleicht gar keine frischen Eizellen von Frauen, um embryonale Stammzellen für eine Therapie zu züchten. Diese Perspektive eröffnete Prof. Hans Robert Schöler mit seinem Experiment, das vor eineinhalb Jahren Aufsehen erregte. Der weltweit wohl populärste Stammzellforscher, der seit April am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster arbeitet, züchtete aus embryonalen Stammzellen der Maus Vorstufen von Eizellen. "Einige entwickelten sich auch zu Eizellen und begannen, sich zu teilen. Ohne Befruchtung entstanden so blastozystenartige Gebilde. In diesen finden sich die embryonalen Stammzellen", erläutert der Wissenschaftler. Und auch menschliche embryonale Stammzellen können sich im Labor zu Keimzellen entwickeln. Das wies Anfang dieses Jahres die kalifornische Arbeitsgruppe um Prof. Amander T. Clark nach. "Wir erforschen diese Entwicklung jetzt genauer, um sie beeinflussen zu können", sagt Hans Schöler. Gelingt ihm dieses, dann bräuchte man keine frischen menschlichen Eizellen mehr.

Vielmehr würde zunächst aus embryonalen Stammzellen eine Eizelle gewonnen. Aus dieser Eizelle wird der Zellkern entfernt. Statt seiner setzen Forscher dann den Zellkern eines Patienten ein. Ist die geklonte Eizelle schließlich zur Blastozyste herangewachsen, entnimmt man die embryonalen Stammzellen. Da sie das Erbgut des Patienten tragen, lässt sich aus ihnen maßgeschneidertes Ersatzgewebe züchten.

Ein äußerst eleganter Weg. Er hat nur einen Haken: Um das passende Ersatzgewebe zu erhalten, durchläuft die geklonte Eizelle ein Stadium, aus dem sich vielleicht auch ein richtiger Embryo entwickeln könnte. Und genau das hofft Schöler, vermeiden zu können. "Wenn wir embryonale Stammzellen herstellen könnten, die Blastozysten bilden, die sich aber unter keinen Umständen in einer Gebärmutter einnisten können, dann hätten wir dieses Problem geknackt", sagt Prof. Schöler.

Zwei Wege stehen dem kreativen Forscher zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen: Er kann die embryonalen Stammzellen gentechnisch so manipulieren, dass die Zellen, die zum Einnisten in der Gebärmutter erforderlich sind, gar nicht erst entstehen. Oder er setzt den Nährflüssigkeiten, in denen die klonierten Zellen gehalten werden, bestimmte Substanzen zu, die eine Entwicklung zum lebensfähigen Embryo unterbinden. "Bei Versuchen mit natürlichen Eizellen von Mäusen klappt das bereits", sagt Schöler. Versuche mit den Eizellen aus Stammzellen laufen.

Mit Blick auf die UNO-Vollversammlung tritt Prof. Schöler entschieden für ein sofortiges weltweites Verbot des reproduktiven Klonens ein. Denn seit die Koreaner Embryonen klonten, die theoretisch auch in einer Gebärmutter wachsen könnten, "ist die Gefahr des reproduktiven Klonens von Menschen gestiegen, auch wenn es bei der Umsetzung noch gravierende Probleme gibt", urteilt der Experte. Doch das wird Klon-Piraten kaum davon abhalten, es zu versuchen.

"Man muss zudem die Anstrengungen vergrößern, gesellschaftlich tragfähige Therapien zu entwickeln und damit dem nun möglichen Irrsinn die Basis zu entziehen. Die staatliche Förderung der Stammzellforschung muss erhöht werden", fordert der Münsteraner Forscher. Denn die Arbeit an menschlichen Stammzellen ist wichtig für das Verständnis von menschlichen Entwicklungsprozessen. Sie ist zudem die Basis, um zu verstehen, wie sich spezialisierte Zellen wieder zu Alleskönnern entwickeln, wie also die Reprogrammierung von Zellen funktioniert.

Schölers Vision ist, Körperzellen durch Botenstoffe so zu beeinflussen, dass sie sich selbst reprogrammieren können. Dann wären embryonale Stammzellen völlig überflüssig. Doch das ist wirklich Zukunftsmusik.