Bionik: Ob Glas, Holz oder Blätter - Spinnen haften überall an. Forscher aus Bremen und Zürich enträtselten die tierische Technik. Nun wollen sie künstliche Spinnenfüße schaffen.

Das ist ein wahnsinnig genialer Trick, mit dem die Spinnen sich überall anheften können", schwärmt Professorin Antonia Kesel von der Hochschule Bremen im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Blick durchs Rasterelektronenmikroskop auf die Füße der Springspinne Evarcha arcuata enthüllte diese tierische Technik. "Mit ihren 70 000 bis 80 000 feinen Härchen an jedem ihrer acht Füße halten sie sich auf allen Oberflächen fest. Kopfüber können sie bis zum 173fachen ihres eigenen Gewichts tragen. Es gibt derzeit nichts, was ohne Klebstoff diese Haftkraft aufbringt", sagt die Zoologin, die in der Fachrichtung Bionik an der Hochschule Bremen neue Materialien erforscht, begeistert.

Die Ergebnisse ihrer einjährigen Forschungsarbeit an sechs Spinnen veröffentlichte sie jetzt gemeinsam mit den Kollegen Tobias Seidel und Andrew Martin von der Universität Zürich im Fachjournal "Smart Materials and Structures".

Während Fliegen ein Haftsekret absondern, damit sie nicht von Decken und Fenstern fallen, hinterlassen die Spinnen nicht einmal einen Fußabdruck, wenn sie weiter wandern. "Sie überlisteten die chemischen Eigenschaften der Oberflächen und nutzen physikalische Methoden", sagt die Forscherin, die am weltweit ersten Studiengang zur Bionik lehrt. Ähnlich wie bei den Geckos wirken auch zwischen den Härchen der Spinnenfüße und den Oberflächen schwache Anziehungskräfte, die Van-der-Waals-Kräfte. Sie beruhen auf Wechselwirkungen zwischen Molekülen oder Atomen.

"Die enorme Haftkraft entsteht, da alle acht Füße insgesamt über bis zu 640 000 Kontaktpunkte zum Substrat verfügen", erläutert die Forscherin und ergänzt: Gelänge es, diese Haftkraft in Form künstlicher Spinnenfüße zu erzeugen, ließe sich an nur einem Quadratmeter Decke ein Gewicht von 24 Tonnen aufhängen - also ein Lastwagen. Die künstlichen Spinnenfüße hätten noch einen Vorteil: Sie können von jedem Untergrund ohne jede Rückstände entfernt und mehrfach genutzt werden.

"Besonders bestechend ist in meinen Augen, dass mit künstlichen Spinnenfüßen alle Materialien in jeder Umgebung klebstofffrei geklebt werden können. Die Technik funktioniert selbst im Weltall," sagt die Forscherin, die bereits erste Experimente zur Herstellung künstlicher Spinnenfüße durchführt.

Die Studie im Internet :

www.iop.org/EJ/abstract/0964-1726/13/3/009/

Buchtipp :

Sinne und Verhalten - aus dem Leben einer Spinne, F. G. Barth, Springer-Verlag, 79,59 Euro.