Realistische Szenarien und gute Geschichten sind für Spielerinnen wichtiger als protzige Hardware und tolle Effekte.

Ein schnelles Handygame an der Bushaltestelle, ein verschämt auf dem Bürorechner installiertes Mahjong-Spiel oder ein spielender Freund oder Ehemann - für viele Frauen sind das die einzigen Berührungspunkte mit Video- und Computerspielen. Die Branche will sich damit nicht mehr abfinden und bemüht sich verstärkt um weibliche Kundschaft. Warum es noch immer mehr Spieler gibt als Spielerinnen, ist umstritten. Interessieren sich Frauen nicht für virtuelle Spielwelten, oder gibt es einfach zu wenig Spiele, die ihren Ansprüchen gerecht werden?

Eine jüngst vom US-Frauen-Sender Oxygen in Auftrag gegebene Umfrage stellte zunächst einmal fest, dass sich Frauen heutzutage genauso für Technik begeistern wie Männer. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen der Pädagogin Susanne Kirk, die in Osnabrück ein Mädchenzentrum leitet und sich mit dem Thema Computerspiele beschäftigt. "Vor zehn Jahren sind noch Mädchen zu uns gekommen, die noch nie etwas am Computer gemacht hatten. Hier hat ein massiver Wandel stattgefunden." Die Mädchen holten in Sachen Technik schnell auf.

Kirk hat beobachtet, "dass Mädchen gern Neues ausprobieren - auch in Bezug auf die Rollen von Mann und Frau. Beliebt sind deshalb Spiele, in denen sie sich wiederfinden und in die sie ihre Träume und Wünsche projizieren können." Die Alltagssimulation "Die Sims" sei deshalb derzeit am meisten gefragt. Mit dem Dissertationsprojekt "Mädchen und Computerspiele. Rekonstruktion oder Dekonstruktion von Wirklichkeit beim Computerspiel ,Die Sims'" will Kirk an der Uni Magdeburg dem Phänomen auf den Grund gehen.

Indessen tut die Branche das Ihre, um Mädchen und Frauen für die Welt der Spiele zu gewinnen. Spielkonsolen werden mittlerweile auch in Rosa produziert, und Sonys Karaoke-Spiel "SingStar" kann man nun auch "Durch den Monsun" der von Mädchen umschwärmten Teenie-Band Tokio Hotel trällern.

Nintendos Taschenkonsole DS, die mit 44 Prozent mehr weibliche Käufer hat als irgendeine andere Konsole, lockt mit den "Nintendogs", virtuellen Hündchen, die man über den berührungsempfindlichen Bildschirm hinter den Ohren kraulen oder über das eingebaute Mikrofon herbeirufen kann. Auch bei Denkspielen wie "Sudoku Master" werden Zahlen und Buchstaben handschriftlich eingegeben. Die direkte Art der Interaktion ist weiblichen Spielern offenbar sympathischer als kryptische Tastaturkürzel und mit Knöpfen überladene Steuereinheiten.

"Ich will keine ,Frauenspiele'", beteuert dagegen eine Spielerin unter dem Pseudonym Sheftu in einem Internetforum. Technik um der Technik willen ist ihr dagegen ein Gräuel. "Ich will intelligente, gut gemachte und abwechslungsreiche Spiele mit spannender Story und nicht schon wieder ein neues 3-D-Grafikwunder mit 25 immer gleich ablaufenden Missionen." Trotzdem wolle sie nicht festgeschrieben werden auf das Klischee, "dass Frauen nichts von Technik verstehen und man ihnen alles verkaufen kann, solange es nur ,niedlich' aussieht".

Der gleichen Auffassung ist auch "Begonia", eine 45 Jahre alte Spielerin des Online-Rollenspiels "World of Warcraft": "Sicher wünscht sich jeder eine gute Handhabung des Spiels und einen roten Faden in der Handlung." Ob Frau oder Mann mache da keinen Unterschied. Abenteuerspiele wie "Tomb Raider" oder "Drakan" gefallen ihr indessen besonders deswegen, weil die Rolle des Helden hier von einer Frau gespielt wird.

Von solchen Spielen gibt es noch viel zu wenig, beklagt Kirk: "Was fehlt, das sind positive weibliche Charaktere, Figuren, mit denen man sich identifizieren kann. Eine Figur wie Lara Croft findet bei den Mädchen zwar Anklang, weil sie eine starke Frauenfigur ist. Zugleich kritisieren die Mädchen und Frauen aber auch das Frauenbild, das damit vermittelt wird." Der in den Spielen allgegenwärtige Sexismus schrecke weibliche Spieler ab. Dessen ungeachtet gehört das Spielen an Konsole und Computer für viele Mädchen mittlerweile ebenso zum Alltag wie für gleichaltrige Jungs. Indiz dafür sind Gemeinschaften von Spielerinnen, die sich im Internet zu Interessengemeinschaften (Communities) zusammenschließen. Sie geben sich selbstironische Namen wie "Zockerweibchen" oder "Thumbbandits", diskutieren über Spiele und Strategien und führen Listen der beliebtesten Games für weibliche Spieler. Neben Spielen mit weiblichen Protagonisten wie "Tomb Raider" oder "Beyond Good and Evil" und den "Sims" finden sich hier auffallend viele Spiele, in denen soziale Aspekte im Vordergrund stehen, wie etwa die virtuellen Dorf- und Fantasywelten in "Harvest Moon" und "Animal Crossing".

Doch auch Titel, die in der Öffentlichkeit gern als "Killerspiele" bezeichnet werden, wie etwa Kriegsspiele oder das Horror-Adventure "Resident Evil", sind vertreten. "Es ist zu beobachten, dass Vielspielerinnen nach und nach die Spiele der Jungs übernehmen", erklärt Susanne Kirk.

Julia (12) findet in Spielen dagegen am liebsten die ihr vertraute Welt wieder. "Ich spiele Zoo-Aufbau-Spiele oder Reit-Simulationen am PC." Reisen in ferne Galaxien und Science Fiction sind nicht ihr Fall. Für ihr Hobby hat sie pro Woche etwa zwei bis drei Stunden Zeit. Dass sie in ihrer Freizeit auch selbst reitet, macht die Scheinwelt auf dem Bildschirm für Julia keineswegs langweilig: "Das Spiel ist etwas anderes, man kann dabei viel lernen, zum Beispiel die Namen der unterschiedlichen Pferdekrankheiten."

Die Zielgruppe der Sechs- bis 13-Jährigen werde nach wie vor häufig unterschätzt, sagt Marina Selikowitsch vom Hamburger Spieleverlag dtp young entertainment, der sich auf Titel wie "Meine Tierpension" oder die Reitsimulation "Riding Star" spezialisiert hat. "Mädchen haben andere Ansprüche an ein Spiel", beschreibt Selikowitsch das Erfolgsrezept. "Jungs wollen zuerst einmal Chaos anstiften und ausprobieren, was passiert, wenn sie die Regeln verletzen. Mädchen haben das Bedürfnis, Ordnung zu schaffen und die Spielwelt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten."

Infos im Internet:

www.zockerweibchen.de

www.thumbbandits.com/

http://community.livejournal.com/girl_gamers/

http://abcnews.go.com/Technology/ZDM/story?id=2269348

http://ms.nintendo-europe.com/wii

www.nintendogs.com

http://de.playstation.com

www.dtp-young.com