Informationstechnologie: Mit dem IBM 5150 begann vor einem Vierteljahrhundert der Siegeszug des PC. Geliebt, gehasst, gebraucht: Mehr als 880 Millionen Heimcomputer stehen mittlerweile weltweit in den Haushalten. Eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Hamburg. Mausgraues Blechgehäuse, vorne ein paar Schalter und Lämpchen, hinten ein undurchdringlicher Kabelsalat. Nein, schön waren sie nie, die Personal Computer, kurz PC, die vor genau 25 Jahren ihren globalen Siegeszug antraten. Trotzdem haben sie in dieser Zeit das Alltagsleben dramatisch verändert. Ob sie nun aus beruflicher Notwendigkeit oder aus privatem Vergnügen benutzt werden - das Verhältnis der meisten Anwender zu ihrem "persönlichen Rechner" ist am besten mit dem Begriff Hassliebe beschrieben. Man weiß nicht, was man ohne ihn machen würde, aber selten macht er tatsächlich das, was man von ihm will.

"Anstatt mühelos mit intelligenten und anpassungsfähigen Maschinen zu interagieren, schlagen wir uns mit chronisch instabilen Systemen herum, deren Prozessoren zwar immer schneller und komplexer werden, deren Grundfunktionen sich in den letzten 30 Jahren aber kaum erweitert haben", stellt Peter Krieg, Autor des Buches "Die paranoide Maschine - Computer zwischen Wahn und Sinn" resigniert fest. Die von vielen Zeitgenossen als "Rechenknechte" diffamierten Alleskönner seien unter anderem starrsinnig, dumm, nicht anpassungsfähig, instabil, ineffizient und vor allem "im Verhältnis zu ihrer Leistung noch immer zu groß und zu teuer".

Die beispiellose Erfolgsgeschichte des PC haben all diese Mängel allerdings nicht stoppen können. 880 Millionen PC, so schätzt der Branchenverband Bitkom, verrichteten im vergangenen Jahr weltweit ihren Dienst. Der PC hat Arbeitsplätze vernichtet und neue Berufsfelder geschaffen. Er entführt seine Nutzer in Online-Parallelwelten wie "World of Warcraft" und ermöglicht es, sich ohne nennenswerte Zeitverzögerung mit Menschen in aller Welt zu unterhalten, zu handeln oder zu spielen.

Der PC prägt nicht nur Arbeit und Freizeit des modernen Menschen, sondern auch seine Ängste. Die Furcht vor Virenbefall, Datendiebstahl und Spionagesoftware hat eine ganze Branche entstehen lassen, die sich ausschließlich damit beschäftigt, die digitale Privatsphäre vor fremden Zugriffen zu schützen. Und statt sich beim Jahreswechsel 1999/2000 auf das neue Jahrtausend zu freuen, fürchteten sich Millionen Menschen vor dem weltweiten Absturz der Kommunikationssysteme. Und da ist natürlich auch die Angst vor dem Versagen im Umgang mit einer rätselhaften Maschine, von der die wenigsten wissen, wie sie eigentlich genau funktioniert.

Zunächst waren die Experten ohnehin der festen Auffassung, dass man Normalsterblichen das Wissen darüber getrost ersparen könne. Mit dem Aufkommen der ersten Mikroprozessoren war Anfang der 70er-Jahre die Basis für die Entwicklung von Heimcomputern geschaffen. Doch die Großen im Computergeschäft gingen davon aus, ein Taschenrechner und eine elektrische Schreibmaschine reichten für private Zwecke vollkommen aus.

"Dass der Computer als PC allgegenwärtig wurde und die Computerindustrie innerhalb weniger Jahre umkrempelte, ist nicht nur das Ergebnis technologischen Fortschritts", heißt es in der Info-Broschüre des Heinz-Nixdorf-Museums in Paderborn. "Die Geburt des PC zeigt, dass neue Technologien erst dann eine wirklich neue Anwendung hervorbringen, wenn Menschen sie sich für ihre Zwecke aneignen."

Das tat zunächst nur eine Handvoll Tüftler und Informatik-Studenten. Zwei von ihnen, Steve Jobs und Steven Wozniak, schufen bereits Ende der 70er-Jahre ein System, das dem modularen Bauprinzip des modernen PC entsprach. Der "Apple II" verfügte über acht freie Steckplätze, die Erweiterungskarten für unterschiedliche Anwendungen wie Textverarbeitung oder Computerspiele aufnehmen konnten. Diese Flexibilität hatte er den zur gleichen Zeit aufkommenden frühen Heimcomputern voraus.

Der Erfolg des Apple-Computers schreckte den als schwerfällig geltenden Branchenriesen IBM auf, der damals den Markt für Großrechner beherrschte. Gegen interne Widerstände entwickelten IBM-Manager Bill Lowe und der Ingenieur Don Estridge mit einem Dutzend Technikern im Eilverfahren einen eigenen Rechner - fast vollständig zusammengesetzt aus Komponenten anderer Hersteller.

Am 12. August schlug mit dem "IBM 5150 Personal Computer" die Geburtsstunde des PC, wie ihn die meisten Anwender heute kennen. Die Luxus-Version hatte zwei Diskettenlaufwerke und einen Farbmonitor. Das Computermagazin Chip vergab einen Pluspunkt für die "hochauflösende Grafik" mit 720 mal 350 Bildpunkten: "Alles in allem ist der IBM-Personalcomputer zwar ein modularer Rechner, für den auch bereits ein breites Angebot an Systemsoftware zur Verfügung steht. Trotzdem scheinen die Entwickler unter Zeitdruck gestanden zu haben."

Tatsächlich waren die Geräte der Konkurrenten dem 5150 technisch überlegen, und viele Nutzer machten ihre ersten Schritte in die Welt des Digitalen mit dem Commodore 64, der sich rund 20 Millionen Mal verkaufte und zum erfolgreichsten Heimcomputer aller Zeiten wurde. Trotzdem war der Siegeszug des IBM-Konzepts nicht mehr aufzuhalten. Das "Time Magazine" ernannte den PC 1983 zum "Mann des Jahres". Grundlage des Erfolges war ein raffinierter Schachzug der IBM-Strategen, der sich jedoch als fataler Fehler erweisen sollte und den Niedergang des Konzerns einleitete. Um einen allgemeinen Standard zu schaffen, legte IBM alle Produkt-Details offen, sodass andere Anbieter Bauteile und Software dafür herstellen konnten. Damit waren Nachahmern Tür und Tor geöffnet. Sie überschwemmten den Markt mit sogenannten "IBM-Kompatiblen". Auch am Betriebssystem verdienten vor allem andere: Eine kleine Firma namens Microsoft lieferte IBM die Software MS-DOS, mit deren Hilfe der PC zur idealen Plattform für Büroanwendungen wurde.

Da sich Gründer Bill Gates das Recht vorbehielt, seine Software auch an andere Hardware-Hersteller zu verkaufen, war Microsoft bald groß im Geschäft - und riss es mit der Einführung des Windows-Betriebssystems 1992 endgültig an sich.

Im Grunde gab es in der Anfangszeit kaum vernünftige Gründe, sich einen PC anzuschaffen. Niemand besaß eine Digitalkamera, deren Fotos sich am PC hätten bearbeiten lassen, und das World Wide Web wurde erst zehn Jahre später erfunden. So dürften es zunächst vor allem entnervte Eltern gewesen sein, die vor den Hardware-Wünschen ihres Nachwuchses und dem Hinweis kapitulierten, dass so ein Computer für die Ausbildung der Kinder unerlässlich sei - auch wenn es Letzteren meist eher um Computerspiele ging.

Für die technische Weiterentwicklung des PC spielen Computerspiele bis heute eine nicht zu unterschätzende Rolle: Es sind vor allem die Spiele, die mit ihrem ständig wachsenden Hardware-Hunger die Motivation schaffen, den Rechner mit neuen Komponenten aufzurüsten - eine Möglichkeit, die trotz ständig neuer Hardware-Standards noch immer zu den großen Vorteilen des PC-Prinzips gehört. So lebt der stolze PC-Besitzer in dem quälenden Bewusstsein, dass sein gerade angeschafftes System spätestens in zwei Jahren wieder hoffnungslos veraltet sein wird.

Die Anwender nehmen es zähneknirschend in Kauf - ebenso wie Systemabstürze, Festplatten-Crashs, Bedrohungen durch immer tückischere Internet-Schädlinge und eine wachsende Flut von Werbemüll via E-Mail. Die Verheißungen des PC sind einfach viel zu verlockend - ganz besonders, seit sich Bilder, Filme und Musik digitalisieren lassen und die Vernetzung über das Internet die direkte Kommunikation mit Menschen in aller Welt und einen kinderleichten Zugang zu nahezu unerschöpflichen Informationsquellen ermöglicht. Wer sich dem PC verweigert, stellt sich ins kommunikative und kulturelle Abseits.

Dennoch ist es keineswegs ausgemacht, dass auch die nächsten 25 Jahre dem PC gehören werden. Womöglich wird tatsächlich eines Tages die Vision von einem Netzwerkcomputer Wirklichkeit, der sich die gerade benötigte Software und Rechenleistung einfach über das Internet holt. Und zum Empfang von E-Mails, zum Bearbeiten von Texten und zum Abspielen von Filmen genügen heute schon Geräte, die in eine Jackentasche passen.