Wie viel Medienkonsum verträgt ein Kind? Ab wann wird es ungesund? Dazu stellten Experten in Hamburg neue Erkenntnisse vor.

Chats, Computerspiele, Fernsehen oder Handys sind in unserem täglichen Leben allgegenwärtig. Mittlerweile sorgen sich viele Eltern, dass dieses Überangebot für ihre Kinder negative Folgen hat. "Gefährdet sind Kinder, die sowieso schon psychisch auffällig sind", sagte Kongresspräsident Prof. Michael Schulte-Markwort gestern auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, die zurzeit in Hamburg stattfindet.

Gesunde Kinder würden durch den Medienkonsum nicht geschädigt, wenn es eine Mischung unterschiedlicher Freizeitaktivitäten gebe. Im Gegenteil, Eltern seien in der Pflicht, ihre Kinder medienkompetent zu erziehen. "Wenn Eltern ihre Kinder von Fernsehen und Computer fernhalten, führt das dazu, dass sie sich irgendwann darauf stürzen", sagte der Kinderpsychiater. Und die Beschäftigung mit dem Computer wirkt sich auch positiv aus: "Studien haben ergeben, dass sich die Feinmotorik der Kinder im Vergleich zu früheren Generationen verbessert hat und es für ihre Entwicklung förderlich ist, wenn sie einen Teil ihrer Freizeit mit sinnvollen interaktiven Computerspielen verbringen."

Wenn die Mischung allerdings nicht stimmt, kann es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Der Kinder- und Jugendsurvey (Studie) des Berliner Robert-Koch-Instituts ergab, ,,dass im Durchschnitt Jungen etwa vier Stunden und Mädchen drei Stunden am Tag mit Fernsehen, Video, Computer, Internet und Spielekonsolen verbringen", erklärte Prof. Ulrike Ravens-Schrieberer vom UKE. Generell nehme der Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen mit dem Alter deutlich zu. Und insbesondere Kinder aus sozial schwächeren Familien sitzen länger vor dem Fernseher als Kinder aus Familien mit höherem Einkommen. Außerdem nimmt mit dem Fernsehkonsum das Risiko für Übergewicht und körperliche Inaktivität zu. Bei hohem Fernsehkonsum könne es zu Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens, der emotionalen Stimmung und der sozialen Beziehungen kommen.

Wer jegliches Maß verliert, läuft Gefahr, von Computern und Co. abhängig zu werden. Zwar gebe es dazu in Deutschland noch keine Studien, sage Prof. Rainer Thomasius vom UKE. Aber nach Schätzungen aufgrund ausländischer Untersuchungen könne man davon ausgehen, dass drei Prozent der 14- bis 17-Jährigen computersüchtig seien und zehn Prozent Missbrauch betreiben. Als Zeichen einer Abhängigkeit nannte er unter anderem, wenn jemand mehr als 30 Stunden pro Woche im Netz verbringe und sich so in ein Computerspiel vertiefe, dass er völlig darin aufgeht. Computersucht stehe zudem nie allein, sondern sei oft von psychischen Störungen begleitet, zum Beispiel einer Depression oder dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Zudem könnten niedriges Selbstbewusstsein, geringer Antrieb, die Angst vor Ablehnung und der Wunsch nach Anerkennung möglicherweise eine Steigerung des Internetkonsums begünstigen. Bei den Spielen gebe es auch Faktoren, die sie besonders attraktiv machen, wie das Arbeiten mit Fortschritten und Belohnungen und das steigende Sozialprestige innerhalb der Spielergemeinde.

Auf unterschiedliche Auswirkungen des Medienkonsums wies Prof. Jörg Fegert aus Ulm hin: So habe sich gezeigt, dass Kinder, die sowieso schon aggressiv sind, durch aggressive Medieninhalte stärker fasziniert werden und später aggressiveres Verhalten zeigen. Deswegen müsse bei diesen vor einer Therapie hinterfragt werden, welchen Stellenwert Computerspiele in der Vorgeschichte hatten.