Energie, Gesundheit, Bildung: Die Themenliste des Entwurfs zur Abschlusserklärung ist noch länger. Heute offizieller Beginn von Gipfel Rio 20+.

San Francisco. Zäh wurde im Vorfeld um den Deklarationsentwurf für den UN-Gipfel Rio+20 gerungen. Die Themenliste des in langwierigen Verhandlungen diskutierten „Zero Draft“ war lang: Energie, Armutsbekämpfung, Transportwesen, Gesundheit, Ozeane, Naturkatastrophen, Klimawandel, Wälder, Berge, Artenvielfalt, Bildung, Gleichberechtigung – um nur einige Punkte zu nennen. Nachhaltig soll die Zukunft aussehen, ressourcenschonend, so eine Hauptforderung der EU. Wissenschaftler sind geteilter Meinung über die Erfolgsaussichten, wie drei Beiträge im Fachjournal „PLoS Biology“ zeigen.

Die pessimistische Sicht

Die Menschheit unterliege den selben Prinzipien wie Millionen andere Populationen von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen, sie schaffe es nicht, ihnen zu entgehen, schreibt ein Team um Joseph Burger von der University of New Mexico in Albuquerque (USA). Der steigende Pro-Kopf-Verbrauch für Erdöl, Wasser, nutzbares Land, Metalle, Fisch, Holz und vieles mehr überschreite die Kapazität der Erde schon jetzt.

Die Menschheit eigne sich derzeit 20 bis 40 Prozent der gesamten terrestrischen Primärproduktion der Erde an, beute Mineralien und fossile Brennstoffe aus, übernutze erneuerbare Ressourcen wie Süßwasser und Meeresfische. Mit Treibhausgasen und Abfallprodukten würden Klima und Landschaften verändert, die Biodiversität werde drastisch reduziert. „Wir erreichen den Peak für die Nutzung essenzieller Ressourcen oder haben ihn schon passiert“, wird Burger von „PLoS Biology“ zitiert. „Es wird immer schwieriger für den menschlichen Erfindungsreichtum, die Probleme zu bewältigen – jetzt, da wir die Biosphäre an ihre Grenzen treiben.“

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Die optimistische Sicht

Burgers Sicht auf die Dinge biete zwei düstere Optionen, schreiben John Matthews und Frederick Boltz von der US-Umweltschutzorganisation Conservation International in Arlington (US-Staat Virginia): einen drohenden globalen Wirtschaftskollaps oder einen von einer Katastrophe ausgelösten immensen Bevölkerungsrückgang. Motivation für positive Veränderungen lasse sich daraus nicht ableiten, Furcht sei stets weit weniger hilfreich als Hoffnung.

Zudem werde bei dieser pessimistischen Sichtweise die Flexibilität der Gesellschaft unterschätzt. „Wir haben umfassende Belege für die immer neue Fähigkeit des Menschen, Krisen zu bewältigen, zueinander zu finden und aus Fehlern zu lernen“, wird Matthews von „PLoS Biology“ zitiert. So seien mit dem technologischen Fortschritt die landwirtschaftlichen Erträge immens gestiegen, mit dem Montreal-Protokoll sei geschafft worden, den Ausstoß von Gasen, die die Ozonschicht zerstören, stark zu reduzieren.

Von den Umständen dazu gezwungen, werde die Menschheit auch in der Lage sein, ihren derzeitigen desaströsen Kurs zu ändern, sind Matthews und Boltz überzeugt. Beim steigenden Energieverbrauch etwa sei zu berücksichtigen, dass ein immer größerer Teil auf erneuerbare Quellen wie Wind und Sonne zurückgehe. In vielen Ländern sinke die Geburtenrate und lasse die künftige Entwicklung der Bevölkerung weniger bedrohlich wirken. Die Menschheit sei schon auf dem richtigen Weg, glauben die Autoren. „Es gibt Anlass, vorsichtig optimistisch zu sein.“

Die ausgleichende Sicht

Der ökologische Pessimismus Burgers und der technologische Optimismus Metthews’ seien zwei von etlichen möglichen Sichtweisen, schreibt Georgina Mace vom Imperial College London. Ein Hauptziel von Rio+20 müsse Vernetzung sein. „Grüne Ökonomien, ein Schwerpunkt bei Rio+20, müssen eingebettet sein in ökologische Prinzipien – und dürfen nicht nur fokussiert sein auf Wirtschaftswachstum, basierend auf neuen, grüneren Produktionssystemen.“

Die Grenzen des Wachstums würden nun schon seit 40 Jahren diskutiert, so Mace. „Jeder vernünftige Mensch wird zustimmen, dass in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum möglich ist.“ In den vergangenen Jahren seien sowohl Population als auch Konsum nahezu exponentiell gestiegen. Damit stelle sich schon die Frage, ob dieses Wachstum von der Zukunft geborgt sei und gefährliche Grenzen nahe oder bereits überschritten seien.

Es sei vielfach richtig, den Fokus wissenschaftlicher Forschung auf Extreme zu richten. So würden Arten und Ökosysteme wohl stärker von der Zunahme der Klimaextreme beeinflusst als von den Durchschnittsveränderungen von Temperatur und Niederschlag. Hinter den wirtschaftlichen Wachstumsraten lägen immense Unterschiede zwischen den Ärmsten und Reichsten verborgen. 20 Jahre nach Rio+20 könnten hoffentlich die ersten Erfolge der Änderung der Welt gefeiert werden, schließt Mace.