Ein internationaler Report zeigt erstmals das Problem der Frühgeburten. Entwickelte Länder wie Deutschland und USA vor Gefahren nicht gefeit.

London. 15 Millionen Kinder werden in jedem Jahr zu früh geborden. 1,1 Millionen von ihnen sterben an den Folgen der zu frühen Geburt. Erstmals wurde ein weltweit umfassender Frühgeborenen-Report verfasst. Das Ergebnis der am Mittwoch in London präsentierten Erhebung ist erschreckend.

„Es ist das erste Mal, dass wir Schätzungen für alle Gegenden der Welt vorlegen können“, sagt die Südafrikanerin Joy Lawn. Sie ist eine der Hauptautorinnen der Studie und eine von mehr als 100 beteiligten Forschern von 40 Universitäten, UN- und Hilfsorganisationen.

Die höchste Quote an Frühgeburten hat demnach mit 18,1 Prozent Malawi in Südostafrika, die niedrigste Weißrussland mit 4,1 Prozent. Die USA liegen mit 12 Prozent auf Rang 131. In Deutschland werden der Statistik zufolge 9,2 Prozent aller Kinder zu früh geboren. Die Bundesrepublik kommt damit international auf Rang 79 und ist damit schlechter als viele Nachbarstaaten – und auch schlechter als Albanien oder Suriname. Eines haben aber fast alle der 65 genauer untersuchten Staaten gemeinsam: „Die Zahlen steigen“, sagt Lawn.

„Mehr als jedes zehnte Baby, das auf der Welt geboren wird, wird zu früh geboren“, betont die Epidemiologin im Gespräch mit der dpa. Die Gründe für die Frühgeburten, zu denen der Report alle Schwangerschaften zählt, die vor der 38. Woche zu Ende sind, sind vielfältig: Wohlstandskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck sowie Rauchen und späte Mutterschaften in den entwickelten Ländern. Mangel an Hygiene, fehlender Schutz vor Infektionen und schlechtes medizinisches Wissen in den Entwicklungsländern. Gerade dort bestehe Handlungsbedarf, sagt Lawn. „Und gerade dort ist es machbar.“

„Der Report zeigt uns zum ersten Mal das weltweite Ausmaß des Problems.“ Frühgeburt sei die zweithäufigste Ursache für den Tod von Säuglingen hinter Lungenentzündung, betont die Expertin.

75 Prozent der sterbenden Kinder könnten überleben, wenn nur einfachste Maßnahmen ergriffen würden – wie das sogenannte Känguru-Mutter-Modell. Müttern wird dabei gezeigt, wie sie ihre Kinder so auf der Brust tragen, dass diese schön warm bleiben. Eine Spritze, die Müttern vor der Geburt verabreicht wird und nur einen Dollar kostet, kann Lungenprobleme von Frühgeborenen bekämpfen.

„Alle Neugeborenen sind verletzlich, aber Frühgeborene sind es auf ganz besondere Weise“, schrieb UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Vorwort des Berichtes. Lawn, die für die Organisation Save the Children arbeitet, sagt es deutlicher: Es sei vergleichsweise schwer, die Essgewohnheiten in den USA oder Großbritannien zu ändern oder die Mütter in Deutschland dazu zu bringen, früher schwanger zu werden. Es sei aber vergleichsweise leicht, genügend warme Kleidung und Antibiotika zur Verfügung zu stellen, um in Südostasien oder Afrika Krankheiten während der Schwangerschaft oder der ersten Lebenstage des Kindes zu vermeiden.

„Was mit Kindern passiert, die zu früh zur Welt kommen, hängt im hohen Maße davon ab, wo sie geboren werden“, sagt die Südafrikanerin. Christopher Howson von der Hilfsorganisation March of Dimes, die die Gesundheit von Neugeborenen verbessern will, sieht eine „dramatische Lücke“ zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern.

Kinder, die länger als 25 Wochen im Mutterleib waren, haben in den entwickelten Ländern eine 50:50-Chance, zu überleben. „Kinder, die in Afrika oder Südasien nur acht Wochen zu früh kommen, haben ein viel größeres Risiko zu sterben“, betont Joy Lawn. (dpa/abendblatt.de)