Widerstände gegen Gen-Pflanzen veranlassen die BASF-Sparte zum Abwandern. Doch die Produkte bleiben - zum Beispiel in Tierfutter.

Hamburg/Rostock. Die einen jubeln, die anderen zeigen sich enttäuscht: Die Nachricht, dass der deutsche Chemiekonzern BASF wegen der breiten Ablehnung der Gentechnik in der europäischen Landwirtschaft seine Pflanzenbiotechnologie-Sparte komplett in die USA verlegt, wird von Gegnern und Befürwortern der grünen Gentechnik ganz unterschiedlich bewertet. Zu glauben, dass sich das Thema gentechnisch veränderter Pflanzen in Lebens- und Futtermitteln damit in Deutschland auf absehbare Zeit erledigt haben könnte, wäre jedoch äußerst voreilig. Gerade wurde in Brüssel über die Zulassung von vier Varianten gentechnisch veränderter Soja abgestimmt. Und auch in Sachen Gen-Mais könnte in den kommenden Wochen der Druck auf Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) wieder steigen.

Für grüne Gentechnik, die auch Agrogentechnik genannt wird und die die Anwendung gentechnischer Verfahren im Bereich der Pflanzenzüchtung beschreibt, fehle "in weiten Teilen Europas immer noch die entsprechende Akzeptanz bei der Mehrheit der Verbraucher, Landwirte und Politiker". So begründete BASF-Vorstandsmitglied Dr. Stefan Marcinowski die Entscheidung des Konzerns, seine Aktivitäten diesbezüglich künftig in Nord- und Südamerika zu konzentrieren. "Diese Forschung braucht niemand, die Verbraucher nicht, die Bauern nicht und die Gesellschaft auch nicht", sagte BUND-Agrarexperte Burkhard Roloff dazu. Es gebe keinen Grund, sich jetzt noch für die Gentechnik zu entscheiden. Dies gelte auch für das Hauptargument der Forscher, dass nur mit deren Hilfe die Herausforderungen der Klimaveränderung zu bewältigen seien: "Die Gentechniker haben nicht beweisen können, dass sie schneller sind als die konventionelle Pflanzenzüchtung."

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Das sieht die Rostocker Gentechnikerin Prof. Inge Broer anders. Sie leitet die Arbeitsgruppe Agrobiotechnologie an der Universität Rostock; unter ihrer wissenschaftlichen Führung war in den vergangenen Jahren auch an gentechnisch veränderten Kartoffeln geforscht worden. "Wir geben Optionen aus der Hand, mit der Klimaveränderung oder dem Wachstum der Weltbevölkerung umzugehen", sagte Broer. Es sei vielen unbekannt, welche Fähigkeiten in der Technik stecken. Dazu gehöre auch die Trockentoleranz beim Mais oder die Herstellung biologischer Kunststoffe mithilfe bakterieller Gene. "Es hat nicht einen Fall gegeben, in dem bei der Übertragung ein Risiko entstanden wäre", betonte Broer. Dabei seien Maispflanzen mit Trockentoleranz in den USA bereits zugelassen.

Auch für Europa gibt es Zulassungen für gentechnisch veränderte Maissorten. Ministerin Aigner lehnte jedoch in Deutschland Anträge auf den Anbau, etwa der Sorte Mon810 des Agrarunternehmens Monsanto, bisher ab. "Da Mais bis spätestens Mai auf den Feldern ausgebracht sein muss, kann es gut sein, dass jetzt erneut Anträge bei Frau Aigner auflaufen. Wir hoffen, dass sie diesbezüglich ihre Haltung beibehält", sagte Anja Sobczak, Referentin für Gentechnik am Umweltinstitut München.

Generell, so Sobczak, seien Deutschlands Felder frei von Gentechnik: "Es gibt nur einige wenige Versuchsfelder, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, auf denen 2011 gentechnisch veränderte Zuckerrüben, Kartoffeln und Weizen angebaut wurden." Die Kartoffelsorte Amflora, die BASF 2010 für die industrielle Stärkegewinnung unter heftigen Protesten auf dem bundesweit einzigen kommerziellen Gen-Kartoffelfeld bei Zepkow (Müritzkreis) auf 15 Hektar angepflanzt hatte, war 2011 bereits nur noch auf einer wesentlich kleineren Fläche kultiviert worden - jetzt ist damit in Deutschland ganz Schluss. "Die Stärkeindustrie sucht keine neuen Produkte", sagt Christoph Then vom Verein Testbiotech und langjähriger Patent-Berater von Greenpeace.

Was jedoch auf Europa und damit auch Deutschland in Sachen neuer Zulassungen zukomme, das hänge alles "etwas in der Schwebe", so Then. So habe Deutschland bei einer ersten Abstimmung in Brüssel für die Marktzulassung von vier Gen-Soja-Varianten gestimmt, über die vergangenen Mittwoch erneut verhandelt wurde. Ein Ergebnis wurde noch nicht bekannt.

Selbst wenn die Forschung und der Anbau im Bereich grüner Gentechnik in Deutschland auf einem niedrigen Niveau bleiben, macht Gentechnik-Gegnern der Einsatz in Futtermitteln fast mehr Sorge. "Raps, Soja und Mais, die in Deutschland verfüttert werden, stammen zu 80 Prozent von gentechnisch veränderten Pflanzen", sagt Anja Sobczak. Erste Untersuchungen zeigten, dass gentechnisch manipulierte Sequenzen übertragen werden könnten - aus dem Futtermittel auf die Tiere. Dennoch müssten die daraus entstandenen tierischen Produkte wie Eier, Milch oder Fleisch nicht gekennzeichnet werden. Das sei nur verpflichtend, wenn die Pflanzen direkt in einem Lebensmittel verarbeitet würden. "Hier wünschen wir uns eine neue Regelung", sagte Sobczak. Eine, die über Aigners freiwillige Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" hinausginge. Gentechnik sei nicht aus Deutschland verschwunden, und der Weg über die USA längst mehr als der Eintritt durch die Hintertür.