Spezialzüchtungen sind resistent gegen Unkrautgifte. Unternehmen verdienen so doppelt. Wissenschaftler warnen vor Gesundheitsschäden

Brüssel/Hamburg. Gut 70 Prozent der weltweit kultivierten Sojabohnen stammen aus Gentech-Laboren, in den USA sind es sogar 94 Prozent. Ein Teil der Ernte landet als Futter- oder Lebensmittel in Europa. Gleich vier Gentech-Sorten warten derzeit auf eine EU-Zulassung aus Brüssel, über die die Kommission in den kommenden Wochen entscheiden wird. Zwei davon stehen indirekt sogar doppelt auf dem Prüfstand: Diese Bohnen sind resistent gegen das umstrittene Unkrautgift Glyphosat, dessen EU-Zulassung ausläuft. Hier ist eine Neubewertung nötig, die unter deutscher Federführung in diesem Jahr erarbeitet werden soll.

Der US-Konzern Monsanto hat Glyphosat entwickelt und vermarktet es seit 1974 unter dem Namen Roundup. Es ist ein sogenanntes Breitbandherbizid, das fast alles tötet, was grüne Blätter trägt. Die Substanz hemmt in den Pflanzen die Synthese einiger lebenswichtiger Aminosäuren, die bei Tieren und Menschen nicht vorkommen. Gerade weil die Wirkweise auf die Flora begrenzt ist, wird der Wirkstoff allgemein für weniger gefährlich gehalten als andere Unkrautvertilger. So wurde Glyphosat zum weltweit meist eingesetzten Spritzmittel, in konventionellen wie in Gentechnik-Kulturen.

Die dominante Eigenschaft, die Sojabohnen im Labor eingepflanzt wurde, ist die Herbizidresistenz, also die Unempfindlichkeit gegenüber einem bestimmten Unkrautgift. Die Agrarkonzerne profitieren von solchen Gewächsen doppelt: Sie setzen ihr Saatgut ab und gleichzeitig das dazu passende Herbizid. Gentech-Sorten aus dem Hause Monsanto werden mit den Buchstaben RR für Roundup Ready (für Roundup geeignet) bezeichnet und sind neben Soja auch als Mais- und Baumwollsorten massenhaft im Geschäft.

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Über eine RR-Sojasorte wird jetzt in Brüssel entschieden: MON-40-3-2 ist bereits in Europa zugelassen, nur muss jetzt die Genehmigung, die Bohne als Lebens- oder Futtermittel in der EU zu verkaufen, nach zehn Jahren erneuert werden. Deshalb absolvierte die Sorte eine neue Prüfrunde unter inzwischen verschärften Kriterien. Dazu gesellen sich eine zweite Sorte mit eingebauter Glyphosat-Resistenz (die Soja-356043 vom Hersteller DuPontPioneer) sowie A5547-127 von Bayer CropScience, die das Spritzmittel Glufosinat verträgt, und MON 87701, die ihr Insektengift (Bt) selbst produziert.

Bei allen vier Sorten befand die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, dass sie genauso sicher seien wie konventionellen Pflanzen. Dennoch mehren sich kritische Stimmen, gerade in Hinblick auf das Glyphosat. Denn der Wirkstoff wird in Zusammenhang gebracht mit Schäden bei Amphibien, Problemen mit Unkräutern, die das Gift leidlich vertragen, und sogar Gesundheitsschäden bei Menschen.

Gerade in gegen dieses Herbizid resistenten Kulturen werde Glyphosat intensiv angewendet, sagt Dr. Gesine Schütte vom Forschungsschwerpunkt BIOGUM (Biotechnologie, Gesellschaft, Umwelt) der Universität Hamburg. "Die Landwirte, die etwa RR-Soja pflanzen, haben sich anfangs komplett auf Roundup und andere glyphosathaltige Herbizide verlassen. Durch den regelmäßigen Einsatz großer Mengen treten vermehrt Unkräuter auf, die weniger empfindlich auf das Gift reagieren. Diese Kräuter profitieren ebenso wie die Soja davon, dass die Wuchskonkurrenz abgetötet wurde."

Als Reaktion auf die unerwarteten Probleme setzten die Landwirte auf noch mehr Glyphosat und zum Teil auf zusätzliche Herbizide, so Schütte. "Die Sojabohne war Ende der 90er-Jahre die erste Gentechnik-Kulturart, bei der in den USA mehr Pestizide eingesetzt wurden als bei konventionellen Sorten. Anschließend traten dieselben Probleme bei genetisch veränderter Baumwolle auf, inzwischen auch bei Mais. Diese Zahlen beruhen auf Berechnungen, da Vergleichszahlen aus der Praxis fehlen. Sie gibt es nur für Felder ohne Probleme mit resistenten Unkräutern. Diese liefern ein falsches Bild."

Obwohl das reine Glyphosat nur als augenreizend und damit als relativ harmlos gilt, trifft dies nicht auf die Pflanzenschutzmittel zu, die diesen Wirkstoff enthalten. Bereits Ende der 90er-Jahre zeigten sich Fehlbildungen bei Embryonen von Amphibien. Schütte: "Die Sterblichkeitsrate bei Amphibien war auch bei Konzentrationen, die nach Einsatz des Herbizids im Oberflächengewässer auftreten können, deutlich erhöht." Im vergangenen Sommer schlug der argentinische Embryologe Andrés Carrasco Alarm: In vielen Dörfern in Anbaugebieten von Glyphosat-resistenter Soja würden Kinder mit Fehlbildungen geboren. In den betroffenen Gebieten wird deutlich intensiver als in Deutschland gespritzt, oft auch vom Flugzeug aus. Im Labor injizierte Carrasco den Wirkstoff in Hühnereier und Kaulquappen und beobachtete an den Embryonen eine fruchtschädigende Wirkung.

Die argentinischen Laborergebnisse seien nicht auf Säugetiere, geschweige denn auf den Menschen übertragbar, betont das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Aussagefähige Tests würden nach EU-Reglement an Ratten und Kaninchen ausgeführt und das sei sehr umfangreich geschehen, weil verschiedene Hersteller den Unbedenklichkeitsnachweis von Glyphosat zur Zulassung führen mussten. Diese Tests hätten keine Hinweise auf fruchtschädigende Eigenschaften ergeben.

"Nichtsdestotrotz hat es Vergiftungsfälle beim Menschen gegeben, vor allem in Asien", sagt Lars Niemann, Toxikologe beim BfR. "In Taiwan ist Roundup als Suizidmittel bekannt." Ähnliches berichtet die indische Gentechnik-Kritikerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva von Kleinbauern, die in Indien Monsanto-Baumwolle angepflanzt, sich dabei hoch verschuldet und dann mit Pestiziden umgebracht hätten.

Niemann: "Es stellt sich die Frage, wie man sich mit diesem doch harmlosen Wirkstoff vergiften kann. Die Antwort lautet: Die Menschen sterben nicht am reinen Wirkstoff, sondern an den sogenannten Formulierungen, die Beimischungen enthalten." Anders als bei anderen Pflanzenschutzmitteln bestimme nicht der Wirkstoff die Giftigkeit des Mittels, sondern die Beistoffe. Besonders kritisch seien Tallowamine, die dazu dienten, dass das Mittel von den Pflanzen aufgenommen wird. "Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit drängt seit Jahren auf einen Austausch. In Deutschland ist dies größtenteils erfolgt."

In anderen Ländern jedoch nicht. Denn Roundup und andere Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel sind weltweit in verschiedenen Mixturen auf dem Markt, sodass jedes Land eine eigene Risikobewertung vornehmen muss. Wie die deutsche Einschätzung im Auftrag der EU und deren abschließende Entscheidung ausfallen wird, werde sich erst 2014 zeigen, so Niemann. Unabhängig davon ist bis dahin längst in Brüssel über die Zulassung der Gentech-Pflanzen entschieden worden, die in den Anbauländern außerhalb der EU den Glyphosat-Einsatz forcieren.