Düsseldorf. Medizinmesse Medica : Mini-Computer, Roboter und Apps helfen Menschen, gesund zu werden und fit zu bleiben.

Kranke Kinder lassen sich in der Schule von Robotern vertreten. Patienten müssen nicht mehr im Wartezimmer beim Arzt sitzen, sondern tragen Minicomputer am Körper, die ihre Daten in die Praxis übertragen. Das sind nur einige Trends, die ab dem heutigen Montag auf der Weltmedizinmesse Medica in Düsseldorf vorgestellt werden. Denn auch die Medizin bedient sich immer mehr des „Internets der Dinge“: Computer sollen Menschen unauffällig dabei unterstützen, gesund zu werden oder zu bleiben. Kleine Langzeitpatienten können mit ihrer Hilfe den Kontakt zur Schule behalten. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen.

Wenn das Blutdruckmessen cool wird

Wie tickt mein Puls, wie viel bin ich gelaufen, und wie lange habe ich geschlafen? Das stellt heute nicht nur die Smartwatch fest – es gibt trendige Geräte, die mit Daten zur Diagnose oder Therapiefindung beim Arzt beitragen können. Dazu gehört etwa der Pulsewave Health Monitor eines kanadischen Start-up-Unternehmens, der die normale Herzfrequenz, Abweichungen davon oder zu hohen Blutdruck misst und die Ergebnisse via Smartphone in einer Datencloud abspeichern kann. „Wer hätte gedacht, dass Blutdruckmessen cool sein kann?“, so wirbt die US-Firma Qardio für ihr zigarettenschachtelgroßes, designpreisgekröntes Gerät, das in einer Farbpalette von arktischem Weiß bis Electric Blue für rund 130 Euro zu haben ist.

Wer es mit seinem Smartphoneverbindet, kann den Blutdruck mit seinem Arzt oder der Familie teilen. Diese Neuentwicklungen gehören zu den Wearables, tragbare Minicomputer, die auf der Medica vorgestellt werden. Auch dabei, wenngleich noch nicht auf dem europäischen Markt zugelassen: „Smarte Pflaster“, die auf der Haut von Diabetikern den Blutzucker mittels eines schmerzfreien Scans messen sollen (Diabetes Care’s FreeStyle Libre) oder mit denen man laut den Herstellern die Körperhaltung überwachen und korrigieren kann (UpRight).


Wie der Arzt via Video vorbeikommt

Apropos ärztliche Überwachung: Ein Hausbesuch kann künftig zumindest teilweise durch eine telemedizinische Sprechstunde ersetzt werden – vor allem auf dem Land, wo es nicht mehr genügend Hausärzte gibt. Laut Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer, ist beispielsweise „Patientus“ in Schleswig-Holstein recht gut akzeptiert.

Das Prinzip: Sind Diagnose und Therapie persönlich besprochen, kann der Arzt zur Nachkontrolle via Laptop oder PC ins Wohnzimmer kommen. Zum vereinbarten Onlinetermin loggt sich der Patient über eine Webseite ein. Auch der Arzt sitzt am Bildschirm und ruft nacheinander die Patienten in seine virtuelle Praxis – etwa, um mit ihnen darüber zu sprechen, ob die verordnete Salbe wirkt oder die OP-Wunde richtig heilt. Damit niemand überrascht wird, zeigt ein Zähler die letzten zehn Sekunden an, bevor es losgeht. Die Techniker Krankenkasse (TK) startete mit dem Bundesverband Deutscher Dermatologen (BVDD) und dem Lübecker Start-up-Unternehmen Patientus GmbH dazu jetzt einen Test mit ausgewählten Medizinern. Ein Pilotprojekt soll folgen, bevor die Onlinesprechstunde in allen Praxen Einzug halten kann. Die Internetplattform Helpsy verfolgt ein ähnliches Prinzip, um psychisch Erkrankten zu helfen: Unter helpsy.de bieten freiberufliche psychologische Berater mit akademischer Qualifikation ihre Beratung in Videokonferenzen an und legen ihre Gebühren dafür eigenständig fest.

Roboter vertreten kranke Schulkinder

Die neue Technik kann auch Kindern helfen, die über eine lange Zeit erkrankt sind: Mithilfe von Computern nehmen sie mit Bild und Ton am Unterricht teil. Das geschieht bereits bei einem Projekt in der Kinderklinik des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), bei dem das US-Telekommunikationsunternehmen Cisco und die Stadt Hamburg zusammenarbeiten. Ein zweites Projekte für junge Langzeitpatienten nennt sich „Avatar Kids“ und kommt aus der Schweiz: Dabei ist der Roboter „Nao“ das Bindeglied zwischen der Schule oder dem Zuhause und dem Langzeitpatienten im Krankenhaus. Er vertritt das Kind und ermöglicht ihm über eine Internetverbindung, „live“ in der Klasse zu sitzen. „Nao ist sehr beliebt“, sagt Jean Christophe Gostanian von Avatarion Technology. Die Schulkinder fänden es cool, dass der fehlende Klassenkamerad im mobilen Roboter stecke. Sehen können sie ihn über einen Tablet-PC (von Samsung), der am Kopf von Nao angebracht ist. Dabei ist der Avatar-Roboter kein Spielzeug. Er wird zwar dem besten Schulfreund des jungen Patienten gegeben, der Lehrer aber steuert ihn mit einem eigenen Tablet-PC. So sieht der Pädagoge beispielsweise auch, was das Kind im Krankenhaus schreibt. Vier Unikliniken und zwanzig Stationen beteiligen sich bereits am Projekt.

Tablet-PC bei Phantomschmerz

Ein ungewöhnliches Training mithilfe des Tablet-PCs zeigt Kaasa Health, ein Software-Unternehmen, das mit Experten von Universitäten digitale Therapiekonzepte erarbeitet: Menschen, denen nach einer Amputation (etwa nach einem Unfall) ein Bein fehlt, sollen mithilfe einer „Tele-Reha“ die Möglichkeit bekommen, Phantomschmerzen entgegenzuwirken. Diese quälen laut dem Deutschen Ärzteblatt bis zu 80 Prozent der Patienten.

Projektleiter Ilja Michaelis beschreibt die Idee: „Die Kamera des Tablet-PCs nimmt das gesunde Bein auf und spiegelt es. So hat der Patient den Eindruck, wieder zwei Beine zu haben. Über den PC bekommt er dann Übungen gezeigt.“ Die Entwicklung der Tele-Reha Phantomschmerz wurde als Forschungsprojekt vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert, Patienten waren beteiligt. Studien sollen die Wirksamkeit jetzt noch untermauern. Michaelis: „Die Tele-Reha kann bereits bei Berufsgenossenschaften beantragt werden, und Krankenkassenkassen sind interessiert, weil die Patienten als Folge des Trainings weniger Schmerzmedikamente benötigen.“